Nach einer Nacht mit etwas wirren Träumen über Taucherausrüstung, klingelte unser Wecker. Um 8 Uhr ging die Schule los und wir hatten noch etwas Weg vor uns. Unser Schulweg ging 15 Minuten am noch leeren Strand entlang. Vor Ort lernten wir unseren Instructor Valery kennen. Er kam aus Frankreich und war jetzt schon einige Jahre hier auf Koh Tao Tauchlehrer. Er schwärmte von Thailand und dieser Insel, erzählte aber auch, dass er von unbegleiteten Ausflügen ins Inselinnere abraten würde. Er war schon öfter mit Freunden auf den höchsten Berg geklettert... es gäbe dort einen fantastischen Ausblick, aber das letzte Mal seien sie auf dem Weg durch den Wald auf bewaffnete Männer getroffen, und hätten schnell das Weite gesucht. Das alles sagte er hinter vorgehaltener Hand. Er wolle nicht spekulieren und wechselte schnell das Thema. Mit Valery hatten wir einen echt sympathischen Tauchlehrer, mit dem man auch Späße machen konnte. Und wie erfreuten wir uns an seinem französchichen Dialekt... man wusste nie, ob er von Haaren oder Luft sprach, wenn er "(h)air" sagte! :D Aber im Zweifelsfall war wohl einmal mehr die Luft gemeint, schließlich ging es hier ums Tauchen und nicht ums Frisieren! ;) Unsere Klasse war uns auch auf Anhieb sympathisch: Es war der Russe, der dann doch Pole war, den wir schon am Pier auf Ko Phangan kennen gelernt hatten (Aleks, ein eher ruhiger und zurückhaltender Zeitgenosse), Steve aus Schottland (das Gegenteil von zurückhaltend) und das deutsche Pärchen Priska und Michael. Die beiden waren auf Weltreise und hatten schon einige Länder hinter sich. Nach Neuseeland und Australien wollten sie auch noch und so tauschten wir uns gespannt über die jeweiligen Abenteuer aus. Priska und Michael hatten geheiratet und lange auf die Welt-Hochzeitsreise gespart. Coole Sache! Wir verstanden uns auf Anhieb.
Im Unterricht wurden die ersten zwei Videos und Arbeitsblätter mit den Fragen vom Vortag ausgewertet. Dann sahen wir ein drittes Video: Es wurde immer komplizierter... schließlich ging es auch um physikalische Phänomene wie den Auftrieb (neutral buoyancy) und den Wasser- und Luftdruck bis hin zu medizinischen Vorgängen und Notfällen... Im Anschluss bekamen wir erneut Arbeitsblätter mit Fragen... Wir sollten das schon als Prüfungsvorbereitung sehen. Morgen Nachmittag war es nämlich schon soweit und wir mussten die Prüfung ablegen. Denn nur wenn wir diese bestehen, könnten wir mit auf den letzten Tauchgang am für uns dritten Tag. Also passten wir gut auf und waren konzentriert mit ausreichend Ernst bei der Sache.
Dann war es endlich Nachmittag: Zeit das Theoretische in einer ersten Praxis zu erproben! Auf der Ladefläche eines Kleinlasters fuhren wir zum Hafen! Waren wir aufgeregt: In den Videos wurde die erste Tauchpraxis immer in einem Schwimmbecken durchgeführt. Das wäre hier natürlich albern mit dem klaren Meer vor der Tür! Unser Schiff stand im Hafen schon komplett vorbereitet von der Besatzung bereit. Vorher hatten wir Flossen und Anzüge anprobiert. Der Einstieg ins Boot erfolgte abenteuerlich über die Poller, an denen das Boot auch vertäut war. Das Schwanken des Bootes und Reiben an den entsprechenden Reifen an der Kaimauer machte es ungleich schwerer. Als wir alle sicher an Bord waren, tuckerte das Schiff in Richtung Meer. Wir fuhren bis zur kleinen Insel Ko Nang Yuan, welche sehr bekannt für Koh Tao ist und viele Tagestouren als Ziel haben. In einer Bucht ankerten wir und es konnte beginnen. Aber anstattdessen, dass es jetzt mit dem Tauchen losging, ließ uns Valery erstmal so von Bord gehen! Wir sollten erstmal beweisen, dass wir auch ohne alles schwimmen konnten. Wir lachten etwas darüber, bis er uns erklärte, dass sie schon oft zurückfahren mussten, weil doch tatsächlich Leute das Tauchen ausprobieren wollten, ohne überhaupt schwimmen zu können. Wir staunten über den Mut dieser Menschen... und sprangen vom Boot. Das kostete etwas Überwindung... war ja doch kein so kleines Boot und man fiel dementsprechend tief. Gemütlich schwammen wir unsere Runden ums Boot, bis Valery von unserem Können überzeugt war und uns zurück an Deck klettern ließ. Nun konnte es richtig losgehen: Wir erhielten unsere Tauchanzüge, Flossen und Maske mit Schnorchel. Beim Anziehen fiel mein Sonnenbrand von Ko Phangan auf... jetzt pellte sich alles.
Danach bekamen wir Gürtel und Bleigewichte... erstmal auf Einschätzung von Valery und Radek. Radek war der zweite Tauchlehrer für unsere Gruppe, die für die Praxis zweigeteilt wurde. Aleks und Steve würden von Radek angeleitet werden. Radek war wie Valery schon länger hier und kam ursprünglich aus Tschechien. Die Bleigurte drückten uns ordentlich zu Boden und waren dazu da, dass man im Wasser den neutralen Auftrieb erreichen konnte, sprich: Im Wasser schweben ohne abzusinken oder aufzutreiben. Nur durchs Atmen würde man bei perfekter Auslastung ganz leicht im Wasser hoch und runter schweben.
Jetzt ging es daran, zu zeigen, wie gut wir in den letzten zwei Tagen aufgepasst hatten: das Vorbereiten gehörte natürlich zu unseren Aufgaben, die wir allein bewältigen können müssen nach dem Kurs. Das war sie also die Tarierjacke... sie ließ sich mit Luft befüllen aus der Druckluftflasche auf unseren Rücken um den Auftrieb unter Wasser zu regulieren. Dementsprechend musste man diese verbinden und aneinander befestigen. Ebenfalls an der Tarierjacke waren zwei Atemregler (ein Ersatzregler und ein Mundstück für einen selbst) und ein Finimeter zum Ablesen des verbleibenden Flaschendrucks vorhanden. Also alles schön verbinden und dann auf die Funktionalität testen! Riecht die Luft aus der Druckluftflasche auffällig? Kann man aus beiden Mundstücken problemlos atmen? Funktioniert das Finimeter? Lässt sich die Tarierjacke aufblasen und entlüften? Ist alles sicher aneinander befestigt? Da gab es ganz schön viel zu beachten. Und da kein Taucher ohne Buddy tauchen sollte, checkte man dann nochmal gegenseitig. Schließlich war man unter Wasser aufeinander angewiesen und füreinander da. Geriet einer in Panik, sollte er vom Partner beruhigt werden (denn ein abruptes Auftauchen musste strengstens vermieden werden, da durch den Druckabfall beim zu raschen Auftauchen die Lunge reißen würde)... Würde einem die Luft in der Flasche ausgehen, konnte der Partner mit seiner Flasche und dem Ersatzmundstück aushelfen. Geriete einer unter Wasser in eine Situation und bliebe irgendwo hängen, könnte der Partner ihn befreien. Es gab genug Gründe, warum tauchen zu zweit eine gute Idee ist. Für diesen Zweck hatten wir auch die verschiedensten Kommunikationsgesten gelernt. Von "Cool", verschiedenen Handzeichen für verschiedene Meeresbewohner, "Boot", "Ok", "Was zeigt dein Finimeter an?", Zahlen bis hin zu "Out of Air" und "Teile deine Luft mit mir" war alles in unseren Köpfen verankert.
Nachdem wir die Tarierjacken mit den Druckluftflaschen anhatten, zog es uns nun komplett zu Boden. War das schwer!!! Und damit sollte man schwimmen können?! Wir schnauften Valery hinterher, der uns nun unseren ersten Einstieg ins Wasser zeigte: Bleigürtel und Maske mit Schnorchel wollten beim Sprung aus der Höhe gesichert werden... und natürlich musste man weit nach vorne springen, damit die Flasche hinten nicht gegen das Boot schlug. Sobald man im Wasser landete, mussten wir die Tarierjacke aufblasen und dann der Bordbesatzung das Ok-Zeichen geben... Ah ja... Sah einfach aus... aber insgeheim fragte ich mich, warum wir nicht für den Beginn von Land aus ganz langsam ins Wasser gehen konnten. Insgesamt war es aber leichter, als es klingt. Wir kamen alle wohlbehalten im Wasser an und setzten uns in Bewegung in Richtung seichteres Wasser. In den nächsten knapp 5h übten wir hier die Tauchbasics: vom im Wasser schweben bis hin zu den Notfällen, wie Mundstück verlieren, wiederfinden und entlüften um zu atmen. Wie entleert man eine unter Wasser vollgelaufene Maske, damit man wieder gucken kann. Maske ab, Maske ran. Das permanente Ausatmen beim Aufsteigen. Wie atmet man trotzdem die Luft, wenn der Druckminderer der Atemregelung nicht mehr mitspielt? Einen nach dem anderen ließ Valery all diese Dinge vorführen und überprüfte die Richtigkeit. Wir schwebten im Kreis knapp über dem Meeresboden und hörten nur das eigene Atmen. Es war beruhigend und aufregend zugleich. Neugierige Fische umgaben uns bald und manche knabberten an Fingern, Ohr oder Flossen. Valery achtete auch sehr darauf, dass wir nicht mit unserem Gewicht auf den Meeresboden drückten oder durch hektische Bewegungen diesen zerstörten. Wie kein anderer Abschnitt hatte dieser Bereich unter dem Tauch- und Schnorcheltourismus gelitten: Früher ging eine bunte Korallenvielfalt bis ans Ufer ran. Heute waren es graue, tote Gebilde. Wir sollten es von Anfang an besser machen, indem wir ein Bewusstsein dafür entwickeln. Denn auch das stand auf unserem Lehrplan: Wie gehe ich mit dem Leben im Meer umweltbewusst um.
Die Zeit verging wie im Fluge und so tauchten wir am Ende zurück zu unserem Boot: Immer in Zweierpärchen Valery hinterher. Beim Hinaufklettern aufs Boot spürte man die Last der Flasche und des Bleigurtes gleich doppelt so schwer und es war eine Herausforderung, nicht gleich wieder rückwärts von der Leiter zu fallen. Auf der Rückfahrt stellten wir plötzlich fest, wie anstrengend es gewesen war und was wir für einen Hunger entwickelt hatten. Es gab Obst und Getränke. Unser Anlegeplatz war bei Ankunft im Hafen schon besetzt, von einem roten Tauchschiff (es hieß nicht wirklich "Deine Mudda 2"). Wir legten einfach an diesem Schiff an und mussten diesmal gleich doppelt klettern, um an Land zu kommen: erst auf das benachbarte Schiff und dann über die Poller. Erschöpft aber glücklich fuhren wir auf der Ladefläche zurück zur Tauchschule. Hier mussten wir unsere Ausrüstung noch ordentlich mit Süßwasser ausspülen und reinigen. Damit hatten wir unseren ersten richtigen Schultag geschafft. Da applaudierten sogar die Vögel, die in Käfigen vor der Tauchschule saßen... Moment mal, sie konnten wirklich sprechen... und das mit Stimmen, die so gar nicht an Vögel denken ließen. Verrückt!
Die Zeit war schon fortgeschritten: Es war Zeit für Entspannung und etwas zu Essen. Da es Priska und Michael genauso ging, wollten wir den Abend gemeinsam ausklingen lassen und freuten uns schon auf einen Sonnenuntergang. Wir suchten uns eine mexikanische Bar mit besten Blick aufs Wasser... der Sonnenuntergang blieb aber unspektakulär: Kein roter Himmel, keine orange Sonne... grau ging der Tag zu Ende und ein Wind zog auf. Auch das mexikanische Essen hatte eher wenig mit Mexiko zu tun. Egal! Wir hatten trotzdem einen schönen Abend! Nach diesem ereignisreichen Tag fielen wir etwas k.o. ins Bett! :)
Wie gestern startete auch unser zweiter Schultag um 8 Uhr morgens im Unterrichtsraum. Es war schon ziemlich viel Theorie, die innerhalb von drei Tagen in uns rein musste, damit wir das Zertifikat schaffen können. Und heute am Ende des Tages stand ja auch schon die theoretische Prüfung an! Heute war Radek unser Lehrer und er hatte uns ganz schön komplizierten Stoff zu vermitteln. Zu erst konnte er sich zurücklehnen und wir sahen uns Video 4 und 5 an. Weiter ging es mit medizinischen Notfällen: Das Barotrauma (Reißen der Lunge bei zu raschen Aufsteigen), Dehydrierung und die Dekompressionskrankheit (bei jedem Tauchgang fällt Stickstoff im Körper an, der beim Aufsteigen im Körper ausperlt und sich ansammelt und nur langsam über die Lungen wieder abtransportiert werden kann... sollte das Überhand nehmen kommt es zu Gewebeschäden bis hin zur Gefäßverlegung durch die Gasblasen). Natürlich half mir hier meine medizinische Ausbildung ungemein. Aber gerade aufgrund dieses Stickstoffphänomens war es so enorm wichtig, immer den tiefsten und längsten Tauchgang zu erst durchzuführen... und bestimmte Zeiten zwischen den Tauchgängen einzuhalten! Und das ließ sich natürlich alles berechnen mit Hilfe sogenannter Tauchtabellen, in denen verschieden Pressure Groups aufgeführt waren! Genau um diese Rechnungen ging es heute. Natürlich gibt es heutzutage auch Tauchcomputer, die das Rechnen für einen übernehmen, aber für die Zertifizierung musste man es eben auch so können, da auch einige Berechnungen im Examen drankommen würden. Außerdem ist es nie verkehrt, die Theorie hinter der Materie zu verstehen, falls so ein Computer mal versagt oder wie in unserem Fall nicht vorhanden ist. Radek zeichnete verschieden Aufgaben an die Tafel. Kai und mir fiel die Rechnung vergleichsweise leicht... Priska und Michael hatten da schon mehr dran zu knabbern. Aber bei Steve verzweifelte Radek und wusste am Ende keinen Rat mehr, wie er es noch anders erklären könnte.
Da unsere Tauchgruppe sehr zügig mit den Aufgaben an der Tafel war, konnten wir bereits vorm Mittagessen unser Examen anfangen. Dann ging es in die Mittagspause... hier saßen wir auch noch ein bisschen zu viert und besprachen manche Aufgaben. Aber viel Zeit blieb dafür nicht: Immerhin standen in Kürze unsere ersten zwei richtigen Tauchgänge an und dafür sollten wir ausreichend gestärkt sein! Gemütlich Essen war anders. Wir mussten uns auf dem Rückweg zur Schule ganz schön beeilen und kurze Zeit später saßen wir tauchfertig und buddy-gecheckt aufgeregt auf dem Boot. Wir lagen wie gestern wieder vor der kleinen Insel Ko Nang Yuan vor Anker. Valery zeigte uns anhand eines kleinen Büchleins, wie unser erster Tauchgang aussah und was für Tiere wir mit etwas Glück sehen könnten und wie diese in Tauchergestik hießen. "Japanese Gardens" hieß dieser Ort, der sich 11 Meter unter Wasser befand. Die nächsten 43 Minuten würden wir mit Valery diesen Ort erforschen können. Auf gehts: Das ins Wasser springen erforderte schon deutlich weniger Mut, als es gestern noch der Fall war. Für uns Tauchanfänger gab es hier ein Tau, welches von einer Boje bis zum Tauchspot gespannt war. An diesem Tau konnten wir uns langsam immer tiefer hangeln: So hatte Valery uns alle gut im Blick und keiner von uns konnte beim ersten Tauchgang unkontrolliert sinken oder beim Verwechseln der Knöpfe am Tauchregler der Tarierjacke unkontrolliert aufsteigen. Es dauerte eine Weile, bis wir unsere Tauchtiefe erreicht hatten, da Michael deutlich Probleme mit dem Druckausgleich hatte und unter stärksten Ohrendruck und Kopfschmerzen litt, sobal der Wasserdruck weiter zunahm. Tapfer versuchte er es immer wieder und atmete gegen zugehaltene Nase aus und schluckte, was das Zeug hielt. Schließlich schaffte er es! Es war toll! Das Blau und die Stille um uns herum... diese Leichtigkeit der Bewegungen... und diese Entschleunigung in jederlei Hinsicht! Sofort fiel uns auf, wie ein gesundes Riff aussah... leuchtende Korallen, die sich im Wasser wiegten... Fische, die uns mit großen Augen ansahen und unbeirrt und völlig ruhig ihrer Wege schwammen. Es war toll! Valery schwebte vor uns und in Zweiergruppen tauchten wir hinter ihm. Zwischendurch fragt Valery den Stand unserer Finimeter ab. Hier fiel gleich auf, dass Kai deutlich mehr Luft verbrauchte als der Rest von uns. Aber die 43 Minuten kriegten wir ohne Probleme voll und es fühlte sich eher wie 5 Minuten an. Kurz vorm Ende beim Safety Stop in 5m Wassertiefe übten wir nochmals mit Valery die gestern erlernten Skills. Schon beim Auftauchen freuten wir uns auf den zweiten Tauchgang!
Unser Boot fuhr etwas in Richtung Hafen zurück und ging in der Bucht Mae Haad vor Anker. Die nötige Oberflächenzeit verbrachten wir wieder mit Valery im Gespräch, der uns das nächste Tauchgebiet "Pottery Pinnacles" näher brachte und zu verschiedenen Einstiegstechniken ins Wasser reverierte. Anstatt wie eine Kerze ins Wasser zu springen, würden wir uns diesmal einfach rückwärts nach hinten kippen lassen. Das steigerte gleich wieder die Aufregung! Diesmal mussten wir dann auch ohne Tau sinken, nur mit Hilfe der Atemtechnik und der Tarierjacke. Das war gar nicht so einfach und führt bei Priska und Michael zur Strampelei, was jedoch das Absinken eher erschwerte. Der Rest von uns wartete aufrecht im Wasser schwebend, bis Valery ihnen half, zu uns herab zu sinken. Und dann ging es die nächsten 45 Minuten in 12 Meter Wassertiefe um die Pinnacles herum... Was für eine spannende Landschaft! Valery hielt immer mal an und zeigte uns, wenn er etwas Spannendes entdeckt hatte. So leuchteten uns in einer Felsspalte die blauen Punkte eines Blaupunktrochens entgegen: Blaue Punkte auf gelbem Rochenkörper... was für ein schönes Tier! Wieder weiter entfernt drohte uns eine Muräne und wir schwammen einen kleinen Moment mit einem riesigen Schwarm Fischen mit. Dieser Schwarm, bestehend aus abertausend einzelnen Fischen, bewegte sich wie ein einziges großes Meereslebewesen! Jeder Fisch reagierte sofort auf die Bewegung des Vorderfisches: Es war faszinierend. Wir fühlten uns in unserer Entscheidung, den Tauchkurs komplett mitzumachen absolut bestätigt! Das mussten wir unbedingt wiederholen!
Wieder an Bord schwärmten wir vom Gesehenen... und wieder spürten wir erst auf dem Rückweg, wie k.o. wir waren! Aber noch durften wir nicht entspannen, nach dem Reinigen der Tauchausrüstung mussten wir unser Examen noch beenden! Denn nur dann würden wir an den letzten beiden Tauchgängen morgen teilnehmen dürfen! Ohne größere Schwierigkeiten kreuzten und rechneten wir uns durch die Aufgaben und wussten schon bald: JA! Morgen würde es in aller Frühe mit dem Boot wieder hinaus aufs Wasser gehen! Zumindest für alle bis auf Steve. Er war an den Rechenaufgaben gescheitert. Das gab es also auch. Zumindest etwas musste man sich schon anstrengen und bekam das Zertifikat nicht einfach hinterher geworfen. Morgen nach den letzten zwei Tauchgängen und erfolgreichen Absolvieren der Skills als praktische Prüfung, könnten wir uns nachmittags dann Open Water Diver nennen.
Viel ging heute nicht mehr mit uns: Wir aßen mit ordentlich Appetit noch beim Italiener und fielen direkt ins Bett, zu einer Zeit, wo die Strandpartys noch nicht mal richtig starteten. Aber unabhängig vom anstrengenden Tag heute, lief unser Boot morgen bereits um 5 Uhr aus dem Hafen aus... Da war es höchste Zeit zum Schlafen! :)
Unser letzter vollständiger Tag auf Koh Tao startete sehr früh. Draußen war es noch dunkel und es dämmerte erst als wir 5 Uhr den Hafen zu Fuß erreichten. Hier warteten wir auf den Rest... Noch bevor die Bootsbesatzung mit Valery und Radek eintrafen, lernten wir bereits unsere Fotografin kennen. Priska und Michael hatten uns gestern dazu überredet, eine Fotografin zu buchen, die Fotos und bewegte Bilder von uns vieren während unserer zwei letzten Tauchgänge aufnahm. Den Preis dafür teilten wir durch vier und das, was wir somit an Bildern (nicht nur in Erinnerung) mit nach Hause nahmen, war jeden Cent wert! Dieses Gefühl, diese Zauberwelt dort unten, lässt sich einfach nicht ansatzweise exakt beschreiben... So etwas konnte man nur in Ansätzen verstehen, wenn man es mit eigenen Augen sah! :) Noch dazu war unsere Fotografin einfach auch total nett und eine nette Bekanntschaft! Auch Valery war sehr begeistert von ihrer Professionalität und dem Bildmaterial, welches wir danach zugeschickt bekamen! Aber Valery würde diesen letzten Tag mit uns eh nie wieder vergessen... dafür sorgten wir (unfreiwillig)... aber noch wusste keiner von uns, was wir heute erleben würden. Es dämmerte, am Hafen war reger Betrieb und als eines der ersten Boote, schipperten wir Richtung Chumphon Pinnacle, unser Tauchgebiet weit draußen im Meer. Koh Tao war winzig klein geworden, Wasser so weit das Auge reichte. Der Wellengang war ganz ordentlich. Bereits gestern hatte Valery uns darauf vorbereitet, dass es weiter hinaus gehen würde und unter anderem sehr wellig sein kann. So war es auch und Kai und ich hatten uns mit zwei Tabletten gegen Reiseübelkeit gut vorbereitet. Aber da wir auch unsere Tauchausrüstung wie immer checken und vorbereiten mussten, waren wir auch so gut abgelenkt von der Berg- und Talfahrt! :)
Valery erzählte uns wieder, welche Route wir tauchen würden, was wir sehen könnten und worauf wir achten müssten. Hier draußen gab es kein Tau, an dem wir uns nach unten hangeln könnten und wir würden die für uns maximal erlaubte Tiefe von 18 Metern ausschöpfen. Dabei sollten wir uns an Valery halten, da wir dabei nicht die ganze Zeit über dem Meeresgrund sein würden, sondern es unter uns noch weiter hinab gehen würde. Wir freuten uns! Mit ganz viel Glück könnten wir eventuell sogar einen Walhai sehen!
Wir waren als trotz der Frühe nicht das einzige Boot vor Ort... allerdings war wenig Betrieb. Wir tauchten ab und die Stille und das weite Blau umfing uns erneut. Die Blasen stiegen auf, als wir im Wasser standen und langsam aufrecht tiefer sanken. 18 Meter unter uns lag der Meeresboden mit hoch aufragenden Felsen und Felsspalten! Die Fischschwärme waren hier noch größer... da war es wieder, dieses riesige Ungetüm, was als großes Ganzes agierte und aus abertausenden Fischen bestand! Wir konnten die Anemonen mit den Nemofischen beobachten... die faszinierende Pflanzenwelt... und schwebten über diese so andere Welt. Zwischendurch fragte Valery uns immer wieder nach unseren Zählern und der verbleibenden Luft: Alles im grünen Bereich und wir tauchten weiter. Kurz vorm Auftauchen wollte Valery mit uns die praktischen Übungen machen, die wir zum Bestehen des Tauchens brauchten... Die anderen legten gerade diese Prüfung ab, als Kai mit etwas hektischen Bewegungen auf mich zugeschwommen kam. Was tat er da?! Er machte doch tatsächlich das "Out of Air"-Handzeichen!!! Was sollte denn das? Ich war mir sicher, dass er damit nicht spaßen würde, aber auf der anderen Seite konnte ich das auch nicht ganz ernst nehmen... routiniert, wie wir durch die letzten Tage Üben mit Valery waren, reagierten wir beide ganz besonnen und ich teilte sofort mit Kai meine Luft. Kai wirkte erleichtert, Valery schaute uns dagegen etwas irritiert an und wollte Kais Zähler sehen. Tatsächlich: Die Luft war ihm ausgegangen! Nun wirkte Valery doch etwas alarmiert. Er gab Kai seinen zweiten Luftschlauch und nahm noch meine praktische Prüfung ab, bevor wir alle auftauchten.
Über Wasser machte er seiner Aufregung Luft: Das sei ihm noch nie in seiner Karriere als Tauchlehrer passiert, dass dieser Notfall, den man so oft eintrainierte, auch wirklich in Realität auftrat! Er wirkte, wie der arme Kai ziemlich schockiert. Kai war noch etwas flau. Er hätte auch gerne auf diese Erfahrung verzichtet, wie das Atmen unter Wasser immer schwerer wurde. Vermutlich gab es ein Leck in seiner Taucherflasche, wodurch die Luft entwichen ist. Denn zu Beginn hatten wir alle 200 bar. Trotz des Schreckens waren wir froh, diesen Fall so oft geübt zu haben und dass die Routine dazu geführt hatte, dass wir ganz besonnen und unaufgeregt handeln konnten. Und irgendwie war es auch schön zu sehen, wie gut das Tauchen mit einem Buddy klappt! Für den nächsten, unseren letzten Tauchgang jedoch, suchte Valery für Kai die Flasche mit der meisten Luft hinaus und überprüfte selbst nochmal die Anzeigen. Unser Boot lichtete den Anker und wir fuhren zum letzten Tauchgebiet "Twins" und damit Koh Tao wieder etwas entgegen. Kai ließ still und in Gedanken versunken seinen Blick über das Meer schweifen.
Trotz des großen Schreckens ließ es sich Kai nicht nehmen, auch auf dem letzten Tauchgang mit zu kommen! Während diesem war er jedoch nicht ganz so unbefangen, wie er es vorher gewesen war, teilte er später mit. Diesemal erhielten wir kleine Kompasse, mit denen wir unter Wasser eine bestimmt Meterzahl in eine bestimmte Richtung schwimmen sollten. Auch das war eine Übung dafür, unter Wasser den Orientierungssinn nicht zu verlieren. Denn vielleicht würden wir in Zukunft nicht immer mit einem erfahrenen Tauchlehrer tauchen und diesem hinterher schwimmen. Valery erzählte nochmal Spannendes zur Tierwelt, die wir erwarteten und zeigte uns den letzten Einstieg... den "James Bond Einstieg". Mit einem Vorwärtssalto hüpfte er über Bord! Ich war gleich als Zweites dran... natürlich hatten wir die freie Wahl über unseren Einstieg und ich war etwas aufgeregt! Aber das sah so spaßig aus! Luft geholt, nicht weiter nachgedacht und los! Dieser Einstieg hatte definitiv den größten Spaßfaktor! :) Als wir alle im Wasser waren, ließen wir uns zum letzten Mal heute langsam tiefer sinken... das Wasser schwappte über unseren Köpfen ein letztes Mal zusammen... und die Stille umfing uns wieder.
Es gab die spannensten Dinge zu sehen... sogar Anhalterfische... diese faulen Fische hefteten sich einfach an größere Fische uns ließen sich eine Weile mitziehen! Wir begleiteten so ein Pärchen eine kleine Strecke! Ein Kugelfisch wurde in diesem Fall als Gefährt auserwählt. Leider sahen wir ihn nicht aufgepustet. Aber in dem Fall war das ja auch gut für den Mitreisenden. ;)
Diesmal konnten wir sogar richtige Clownsfische und nicht nur ihre Rosa Artgenossen sehen! Und auch Moränen ließen sich erneut blicken.
Es wurde Zeit für die letzte Prüfung: Schwimmen nach Kompass... Konzentriert und wie gezeigt setzten wir nacheinander die Kompasse ein! Das war auch nochmal spannend! Als letztes machten wir ein Abschlussbild! :) Es war toll!
Eigentlich konnten wir gar nicht genug von dieser mystischen Welt hier bekommen! Und doch wurde es irgendwann Zeit zum Auftauchen! Jetzt war es amtlich: Wir waren Open Water Diver!
Mit dieser Zertifizierung standen uns viele Meere offen... und irgendwann mal ohne Instruktor. Und mit Sicherheit würden wir das wiederholen! Beim Auftauchen nochmal eine kleine Aufregung... diesmal war ich die Erste, die den Triggerfish entdeckte... ich versuchte Valery das Zeichen für den Triggerfish zu geben... dieser sah ihn auch, jedoch etwas zu spät. Genau über dem Revier dieses Fisches hatte er den Zwischenstopp gemacht, den man vorm Auftauchen machen sollte. Kai war schon auf dem Weg zu ihm und schwamm ebenfalls über dem Fisch. Etwas besorgt und gleichzeitig fasziniert beobachtete ich, wie sich der Fisch verhielt. Von Kai unbemerkt, näherte er sich drohend Kais Flossen... in dem Moment stieg Kai etwas auf und er zog sich zurück... aber immer noch mit wachen Augen auf diese beiden Eindringlinge! Valery und Radek hatten uns vorher viel über diesen Fisch erzählt... einfach weil er der Fisch war, vor dem man sich am meisten vorsehen musste hier. Drückerfische werden 16 Zentimeter bis einen Meter lang und haben einen kräftigen, hochgebauten und seitlich abgeflachten Körper. Häufig sind sie leuchtend gefärbt und auffallend gemustert. Ihr Körper ist von einer dicken Haut und kleinen, sich nicht überlappenden Schuppen bedeckt. Die Schuppen tragen häufig kleine Stacheln. Was sie jedoch noch respekteinflößender macht sind ihre Zähne.. mit denen sie eben auch zuschnappen um ihr Revier zu verteidigen. Und das tun sie sehr pflichtbewusst und aggressiv. Was es so unübersichtlich macht: Sie verstehen ihr Revier wie einen Kegel aufsteigend... sprich: nach oben hin wird ihr Revier immer breiter... uns wurde also gesagt, wir sollten uns möglichst nicht über einem dieser Fische aufhalten. Nun ja... genau das taten Kai und Valery aber gerade. Vielleicht war es, weil sie zu zweit waren, vielleicht aber auch, weil der Fisch es heute nicht so genau nahm... er schwamm jedenfalls irgendwann nach seiner kleinen Kraftvorstellung etwas irritiert seiner Wege und wir konnten unbehelligt aufsteigen.
Wir legten unsere Tauchkleidung ab... Valery war immer noch ganz erschreckt und entschuldigte sich hundert mal bei Kai... Erschöpfung machte sich breit... mit einem heißen Tee in der Hand ging es zurück in Richtung Hafen... wieder schwankte das Boot durch die Wellen. Ich wollte die letzte Fahrt mit der besondern Aussicht auf dem Dach des Bootsführerhäuschens verbringen und kletterte nach oben. Michael hatte das mitbekommen und war dabei mir nachzuklettern... ich sah schon seinen Kopf, winkte ihm zu und dann... Weg! Er war einfach weg!!! Ich stürzte zur Reling und Treppe und sah hinunter! Aber auch unten auf den Brettern lag er nicht... das hätte doll genug weh getan! Ich rief nach unten und alarmierte Priska. Dann suchte ich die Wellen ab und den Schaum, den die Schiffsschraube hinter uns aufwirbelte. Priska war ganz blass. Dann sah ich Michael winken! Er ließ sich treiben und war zum Glück bei Bewusstsein. Der Kapitän hatte selbst schnell und geistesgegenwärtig reagiert. Nun drehte er und wir fuhren zurück. Michael konnte an Bord klettern... er war unsanft auf die Reling aufgeschlagen, bevor er etwas seitlich ins Wasser stürzte. Wie durch ein Wunder hatte er sich nur ein paar Kratzer und Prellungen zugezogen. Valery war nun völlig fertig und ließ uns nicht mehr aus den Augen. Mehrfach betonte er, wie sehr geschafft ihn der Tag hatte und dass er uns niemals wird vergessen können. Das wiederum ließ uns alle zum Teil etwas müde lächeln. Wir machten in der Tauchschule noch ein letztes Bild von unserer Chaosklasse, bevor wir für einen Mittagsschlaf ins Hotel gingen. Die Erschöpfung hielt den ganzen Tag noch an und wir taten nichts weiter als uns zu entspannen! Das hatten wir uns aber auch verdient! Abends gingen wir essen und genossen noch einen kleinen Spaziergang am Strand! Wir konnten gut verstehen, dass man hier bleiben und sein Leben dem Tauchen widmen wollte. Valery hatte eine gute Wahl getroffen. Morgen mussten wir dieses kleine Inselparadies wieder verlassen und uns langsam auf den Weg zurück nach Bangkok machen. Die endgültige Heimkehr rückte immer näher...
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