Pünktlich zum ersten Tag des neuen Monates konnten wir unsere neue Arbeit beginnen! Max und Tobias waren am nächsten Morgen nur so semi-fit. Ihre Zimmerkollegen waren für beide gewöhnungsbedürftig... es sollte für beide noch schlimmer kommen, so dass das nur eine von einigen schlaflosen Nächten für beide war, aber glücklicherweise ahnten sie das noch nicht. Tobias entpuppte sich als Langschläfer, von dem man immer bis 5 Minuten vor Abfahrt noch nichts hörte oder sah. Wie durch ein Wunder schaffte er es dennoch die Zeiten irgendwie einzuhalten! Max hingegen wollte immer ganz viel, plante viel durch, war sehr ehrgeizig... einzig: er war eben auch ein ganz schöner Vielredner. Das alles wäre halb so wild, würden seinen Worten Taten folgen. Aber alles in allem ein gutmütiger und zumindest gut organisierter Blender. Wir hatten es mit 2/3 unserer Gruppe also ganz gut getroffen... zum restlichen 1/3 später mehr. An diesem, unserem ersten Tag befand Daya, dass es eine gute Idee wäre, die Gruppen zu durchmischen, damit die Neuen von den alten Hasen lernen könnten. Ein guter Plan. So brachen wir alle neun zur gleichen Zeit am morgen auf. Das Chaos in der Küche muss ich nicht erwähnen... Neun Menschen, die versuchen schnell noch was zu frühstücken, Kaffee zu trinken und sich für die Pausen auf dem Feld einzudecken... das kann nur in einer einzigen großen Wuselei enden. Vor allen Dingen, wenn die eine Hälfte noch gar nicht weiß, wie genau man sich den Tag am Besten einteilt. Durchatmen konnte man erst wieder, wenn man im Auto saß. Zu unserem Feld fuhren wir ca. 20 Minuten mit dem Auto. Kai und ich in unserem Ole. Max war zu Tobias ins Auto gestiegen (auch er hatte ein Bett als Rückbank und damit keine weiteren Plätze) und die anderen 5 Jungs im Auto von Jona. Die Wolken hingen noch tief und es war ein frischer und etwas nasser Morgen... Diese Fahrten würde ich noch oft genießen können! Die Landschaft auf der Coromandelhalbinsel ist und bleibt ein Hingucker und die Fahrt über die Berge auch! Gerade auf dem Rückweg konnte man seinen Blick weiter über das Meer schweifen lassen, bevor es wieder ins Tal ging! Ein Traum und toller Start in den Tag! Nur für den Fahrer waren diese engen Kurven in den Bergen und die One-Lane-Brücken häufig anstrengend und gefährlich. Zumal gerade die großen LKWs und rasanten Flitzer es häufig nicht so genau mit der Mittellinienbegrenzung nahmen... .
Auf dem Parkplatz der Kiwiplantagen angekommen, trennten sich unsere Wege. Tobias, Kai und ich bekamen mit Luca und Jan zwei wirklich gute und geduldige Lehrmeister an die Hand gegeben. Die anderen zogen mit Leon und Max in andere Richtung davon. Bereits heute konnten wir einen guten Eindruck davon bekommen, wie praktisch Gummistiefel bei der Feldarbeit sind. Glücklicherweise hatte ich in der Lodge noch ein Paar gefunden, die irgendwann mal übrig geblieben waren und das auch noch in meiner Größe!!! Da kein anderer reinpasste war die Sache schnell klar und ich stürzte mich dafür aufopfernd in die tiefen Schlammpfützen und ließ die anderen nach Möglichkeit drumrumlaufen. Mit Daya gab es eine kurze Einweisung für uns... dank Luca und Jan auch verständlich vorgeführt. Es mussten natürlich spezielle Knoten sein. Hatte man die Technik einmal gelernt, war es kein Ding mehr und eine leichte Aufgabe, die gut von der Hand ging... aber bis dahin konnte man sich ganz schön die Finger brechen. ;)
Mit einer Art selbstgebauten Bollerwagen, zwei an der Zahl (lang, schwer und unhandlich) ging es von Querstange zu Querstange... Auf den 2 Wagen befanden sich je 8 Rollen mit langer Schnur. Jede der 8 Schnüre wurde durch ein Loch in einem darüber montierten Balken gefädelt. Die 4 vorderen und 4 hinteren Schnüre wurden von einer Person je mit einem Knoten zusammengefasst (also zwei Personen pro Wagen). Erreichte man eine Querstange, so war die Aufgabe der 5. Person, die mit einer kleinen Tretleiter vor Ort war, die 4 zusammengebunden Schnüre, zwei von jeder Seite in der Mitte zusammen zu führen und auf einen Nagel an der Spitze des Pfostens zu knoten. Natürlich musste man als die Schnurzuführende Person penibelst darauf achten, dass man die Schnüre auch ja ÜBER die Drähte und Äste der Bäume führte, damit sich das Knoten und Pfostenaufrichten im Anschluss nicht erschwerte oder verzögerte! Ein Spaß! Danach ging es für die fünfte Person auf die Trittleiter und hoch hinaus. Ich habe es einmal ausprobiert: eine wacklige Angelegenheit und ich bewunderte Tobias, den das doch ordentlich auf die Arme gehen musste und der so einige Male unser Gezerre beim Spannen der Seile ausbalancieren musste! Mit einem Kabelbinder musste er, nachdem jeder von uns vier Äußeren seine 4 Knoten gemacht hatte, noch zusätzlich diese ganze Konstruktion absichern und fertig war ein Pfosten! In der Zwischenzeit waren wir weitergewandert und hatten bereits die nächsten Schnüre zur Mitte geführt. So weit, so gut, wenn die Gruppe in etwa das gleich Tempo hat und mitdenkt. An diesem Tag funktionierte das auch recht gut und wir bekamen ein Gefühl für die Abläufe. Schon bald machten sich auch unsere Arbeitshandschuhe, die wir noch vom Weingut hatten, bezahlt! Die Blasen und offenen Stellen, die man sich durch das ständige Schnurfestziehen holte, waren so nicht ganz so tief und man hielt länger durch. Dennoch war auch das keine schöne Arbeit für Hand und Finger.
In den nächsten Tagen hatten wir die Gelegenheit als Gruppe (Tobias, Max, Leon, Kai und ich) zusammen zu wachsen... Leider funktionierte das bis zum Ende nicht, da 1/5 unserer Gruppe leider so absolut kein Teamplayer sein wollte. Während sich alle bemühten, den anderen auszuhelfen und beizuspringen, sollte irgendwas nicht funktionieren, träumte Leon und sah uns vieren zu. Eigeninitiative oder Teamgeist war vom Businesscoach nicht zu spüren. Er war schnell und machte seine Knoten gut (im Gegenteil zu Max, der aber immerhin bemüht war und sich anstrengte), aber darüber hinaus, gab es nur ihn. Neue Pfähle bereits vorzubereiten und aufzustellen, den Langsameren bei uns in der Gruppe mal einen Knoten abzunehmen, den Wagen schonmal weiter zu schieben... auf solche Ideen kam er leider nicht. Mit der Schere um seinen Hals stand er da und schaute uns zu, wenn er "seine" Arbeit getan hatte. Das entging keinen von uns Vieren und wir versuchten das so gut es eben ging auszublenden und umso mehr mit gegenseitigem Einspringen zu kompensieren. Leider musste ich nur allzu oft auch nach Max´ Knoten schauen und diese zum Teil korrigieren, wenn sie allzu lose waren und die Schnur im Wind wehte. Natürlich hielt nur eine gleichmäßige Spannung und ein guter Knoten den Pfosten aufrecht. Leon nahm das feixend zur Kenntnis, sagte nichts und stand daneben. Wenigstens war die Stimmung meist ausgelassen, wenn wir es schafften diesen Part zu ignorieren. Kai und Tobias philosophierten über die Leitfähigkeit von Plastik, Max und Leon über den Buddhismus, wobei der angehende Lehrer (Max studiert Lehramt) immer wieder nur irritiert den Kopf schütteln musste, wenn Leons leeres Gequatsche in einer Sackgasse endete oder er über Dinge sprach, von denen er nur die Hälfte verstand. Mit einer Box und passender Musik verging die Zeit wie im Fluge und es hätte alles perfekt sein können, wäre es nich so anstrengend über Leons Art hinweg zu schauen! In den Pausen begann Leon mit Pflanzen zu sprechen (natürlich immer in Hör- und Sichtweite... wo wäre sonst die Bühne für diese sagenhaften Auftritte?!), sich die Schuhe auszuziehen (kurze Erinnerung, es war immer noch Winter), die Reihen hoch und runter zu rennen (er hatte noch zu viel Energie und kam bei der Arbeit nicht auf seine Kosten) oder mit einem Stock Luftschwertkämpfe auszuführen (inklusive Kampfgeschrei). Nur neben uns zu sitzen und uns beim Essen zu zu schauen, wäre wohl einfach auch "zu normal". Er hatte auch nie etwas zu Essen dabei. Am Anfang teilten wir noch... jedoch merkten wir rasch, dass er sich nie etwas vorbereitete und es als selbstverständlich hinnahm. Kein Danke, nein, lieber wurde noch erwähnt, dass das Essen des anderen aber viel besser aussieht und er das ja viel lieber essen würde. Schnell stellten wir die Mitversorgung ein. Das war einfach zu dreist, wie er sich darauf verließ und dann noch versuchte, das Beste einzufordern. Tobias schickte immer mal wieder Spitzen in seine Richtung... die er einfach nicht verstand. Darüber wiederum konnte Tobias immer nur noch herzlich lachen... Das Ganze ging genau 5 Tage gut, bis es krachen musste, nachdem Leon bei der Arbeit für sich und seine Spiritualität absolute Ruhe einforderte! Jetzt sollten wir also keine Musik mehr hören und durften uns auch nicht mehr unterhalten?! Ich dachte, ich höre falsch.
Subtile Hinweise und Spitzen verstand er nicht... und Kai, der mit ihm an einen Wagen arbeitete, riss irgendwann der Geduldspfaden und er wies Leon ungeduldig zurecht. Tobias war verstummt. Es zeigte sich, dass er auf seine humorvolle Art mit aufmerksamen Menschen sicher so manschen Konfilkt austragen konnte. Aber für so klare Auseinandersetzungen schien er nicht gemacht und hielt sich sehr zurück. Max versuchte es auf seine diplomatische Art mit ... äh... jede Diskussion im Keim ersticken, in dem er alles totquatschte. War das erfolgreich? Nun ja, zumindest hatte Leon einmal anhören müssen, was wir von ihm erwarteten. Das Ergebnis war, dass Kai den Wagen mit leichter Aggressivität in die Hacken gefahren kam und Leon nun übertrieben aufgesetzt zu jedem von uns hinrannte. Die Provokation regte mich innerlich noch mehr auf. Tobias und auch unsere Musik war nach wie vor verstummt. Leon hielt das ganze 5 Minuten durch, bevor er sich doch dazu entschied, sich zu beschweren. Er fände es nicht fair, dass er angezählt würde. Max sei langsam und könne keinen einzigen Knoten... die seien alle eine Katastrophe, Kai würde immer nur doof quatschen... und er selbst solle kein Teamplayer sein?! Das sei Mobbing. Ich versuchte Leon nochmal in Ruhe zu erklären, worum es uns eigentlich ging und das ein Zusammenarbeiten so nicht möglich sei. Es geht nicht um seine Knotenqualität und seine Schnelligkeit konnte für uns alle ein Gewinn sein, wenn er nur hin und wieder schauen würde, was er für das Team noch zusätzlich tun könnte und das in einem ganz normalen Tempo. Er soll ja nicht mehr als alle anderen machen, nur mit schauen und mit denken. Irgendwie bekamen wir die Kurve... die Aussprache wirkte noch einige Minuten nach und die eisige Kälte zog sich weiter durch das Arbeiten... aber irgendwie war es auch befreiend gewesen. Zu lange hatten wir das alles vor uns hingetragen und nach und nach stellte sich auch die Unbeschwertheit wieder ein. Leon und wir würden keine Freunde mehr werden... aber eine Arbeitsatmosphäre, die aushaltbar war, stellte sich dennoch ein: Sei es, weil wir nach der Aussprache entspannter waren oder Leon sich auch nur einen kleinen Teil annehmen konnte.
Wir hatten die erste Woche ohne eine ganz große Katastrophe überstanden und hatten die Erkenntnis gemacht: Teamwork kann manchmal auch ganz schön schlauchen. Doch trotz noch ausbaufähiger interner Teamstrukturen mussten wir feststellen, dass es an sich eine gute Arbeit war: Körperlich wenig anstrengend und es war ein Leichtes das Tagesziel zu erreichen und deutlich zu überbieten. Unser neues Zuhause gefiel uns ganz gut. Die Jungs waren sympathisch und es mangelte nicht an guten Gesprächen und auch vielen lustigen Stunden fern der Arbeit. Und daran konnte auch ein in den frühen Morgenstunden vor den Zimmern singender, meditierender Möchtegern-Buddhist und Businesscoach nichts ändern! :)
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