Der Weg in unseren neuen und letzten Job

Morgendlicher Besuch
Morgendlicher Besuch

Die Nächte wurden wieder kälter... dennoch konnte es so schlimm nicht sein, wenn man morgens einen schönen, großen Schmetterling am Fenster findet... wobei: der arme Kerl könnte auch einen warmen Ort zum Überwintern suchen. Unser Auto war da leider der falsche Platz: Über Nacht war es ordentlich ausgekühlt. Der Falter blieb nicht lange und flog schließlich, als die Sonne hoch genug stand, weiter. Wir dagegen wärmten unsere Hände an heißen morgendlichen Getränken im Auto und checkten unsere Handys. Sieh an! Wir hatten eine Zusage auf die gestrige Bewerbung beim Kiwi-Orchard auf der Coromandel-Halbinsel. Allerdings waren wir da etwas skeptisch... an diese Arbeit war eine Unterkunft gebunden, die wöchentlich mit 220 NZD für uns beide zu Buche schlug. Das war nicht wenig und die Tatsache, dass wir mit unserer Wohnung quasi fast ein Jahr jetzt unterwegs waren, ließ uns da eher zurückhaltend bleiben. Wir würden den heutigen Tag lieber in der Bibliothek verbringen und weitere Bewerbungen auf den Weg schicken. Noch hatten wir etwas Zeit, um auf die Zusage zu reagieren. Allerdings gab es nicht so sehr viel mehr Angebote im Vergleich zu gestern, so dass wir nur eine weitere Bewerbung schrieben. Die Bibliothek war sehr klein und es gab nur auf dem Boden ein paar Plätze für uns. Mitten in der Kinderbuchabteilung waren wir am Nachmittag umringt von lauten Schulkindern, die zu tuscheln begannen, als sie merkten, dass wir nicht ihre Sprache sprachen. Die Bücher als Tarnung aufgeklappt vor sich haltend, lugten immer wieder Augen rechts und links am Buch hervor. Als wir abends mit knurrenden Mägen die Bibliothek verließen, regnete es wieder. So machte das Kochen wirklich keinen Spaß, so dass wir nur ein paar Meter die Straße weiter runter fuhren und uns in einer Pizzeria mit leckerer, warmer Pizza versorgten. Im Auto mampfend schauten wir uns um. Mit uns war ein anderes Pärchen jetzt schon die zweite Nacht vor Ort. Ihr Auto lief im Standgas... offensichtlich war es ihnen jetzt schon zu kalt. Und sie taten gut daran, nochmal etwas Wärme zu erzeugen. Wir starteten in die nächste kalte Nacht...


Unser Stellplatz hinter der Bibliothek in Ngatea
Unser Stellplatz hinter der Bibliothek in Ngatea

... bis auf 2 °C kühlte es in der Nacht ab. In den frühen Morgenstunden kuschelten wir uns aneinander. Während das Auto im Sommer eher zu klein erschien, wirkte es bei diesen Temperaturen ausreichend groß, da wir die Liegefläche eh nicht ausfüllten. Es war ein herrlich schöner, klarer Wintermorgen nach dem gestrigen Regen. Und es war Wochenende: Auf dem Sportplatz war reger Betrieb. Nach dem Frühstück mit immer noch kalten Füßen schnappten wir uns unseren Fußball. Die Bibliothek zum Aufwärmen fiel heute aus, da sie geschlossen war... so ausgekühlt konnten wir aber auch nicht bleiben und so wärmten wir uns in einem der nahen Fußballkäfige aus. Das wirkte Wunder und machte Spaß. Auch wenn wir nur zu zweit waren, so fielen uns allerhand kleine Fußballspiele ein. Natürlich gewann Kai alle! :) Danach checkten wir erneut unsere Nachrichten. Es war bei der einen Zusage geblieben. Wir fanden dennoch ein weiteres Gesuch, auf dass wir uns beworben. Und wir griffen ratsuchend auf unsere Kontakte zurück. Unsere alten französischen Kollegen von Johns Blaubeerfarm Morgan und Emily hatten noch einen Tipp für uns. Sie hatten vor Kurzem auf einer Blumenfarm gearbeitet, ebenfalls nicht weit von hier. Wir hatten zwar nur eine Telefonnummer, aber eine Nachricht konnte man durchaus losschicken. Gesagt, getan. Jetzt hieß es wieder abwarten. Obwohl... das letzte Mal hatte uns auch ein schwarzes Brett weitergeholfen. So fuhren wir zu allen möglichen Läden in der Umgebung auf der Suche nach Aushängen. Doch leider schien es hier so etwas eher nicht zu geben. Obwohl wir bis nach Thames fuhren, besaßen die meisten Läden hier gar keine schwarzen Bretter! Das war uns ganz neu. Schade. So blieb uns nichts anderes übrig als am Nachmittag auf unseren Platz hinter der Bibliothek in Ngatea zurück zu kehren. Wir waren also in der eher arbeitsschwachen Wintersaison angekommen. Logisch. Aber insgesamt könnte es schlimmer sein: Immerhin hatten wir zumindest eine Zusage. Damit dies dabei blieb, riefen wir  etwas ernüchtert den Chef von der Kiwi-Arbeit an, um Fragen zu stellen und weiteres abzusprechen. Neben der teuren Unterkunft, äußerte sich Daya (so hieß der Gute) eher zurückhaltend bezüglich der Anstellung von Frauen (die Arbeit beschrieb er als körperlich anstrengend) und berichtete in einer Tour von der tollen Möglicheit "good money" zu machen! Es war also Contract-Arbeit: Ein Tagesziel, was erreicht werden sollte. Wir hatten ja bereits unsere Erfahrungen damit und waren wenig erfreut. Und doch blieb es unsere einzige Zusage. Daya wollte sich morgen abend 17:00 Uhr mit uns treffen. Nagut, wenn bis dahin kein anderer zusagen würde, würden wir uns das alles einmal angucken. Gewappnet mit zwei Hosen und dicken Pullovern waren wir bereit für die nun einbrechende Nacht!


Brrrrrrrrr!
Brrrrrrrrr!

Schon früh am morgen tuckerten neben uns zwei der Autos vor sich hin, ohne loszufahren. Heizungen fehlten wirklich bei dieser Art zu wohnen. Später las ich in der Zeitung, dass die kälteste Nacht seit Juli 2015 hinter uns lag. Ich wischte über die Scheiben, um rauszusehen... aber nix passierte: sie waren sowohl von innen als auch von außen vereist und kleine Eisblumen erstreckten sich über die Glasscheiben. Die kleinen Frostkristalle auf dem Autodach blieben bis fast zur Mittagszeit am Auto haften. Die Sonne hatte alle Mühe, sich trotz wolkenfreiem Himmel durchzusetzen. Da wir nach wie vor keine weiteren Nachrichten erhalten hatten, brachen wir unsere Zelte vorerst hier in Ngatea ab. Wir mussten noch einiges einkaufen... unser Ziel auf der Coromandel Halbinsel in Pauanui war laut unserer Karte ein kleiner Ort. Wer wusste schon, wie es dort um Einkaufsmöglichkeiten bestellt war. Nach einem leckeren indischen Mittag in Thames machten wir uns auf den Weg nach Pauanui. Unterwegs registrierte ich, dass in einer der zahlreichen Facebook-Backpacker-Gruppen jemand ebenfalls auf den selben Job wie wir aufmerksam geworden sein musste. Ein Tobias fragte, ob bereits jemand Erfahrung mit dem Arbeitgeber gemacht hätte. Er sei etwas skeptisch und hätte gerne Informationen und Rezensionen. Aha... wir waren also nicht die einzigen, die da ein nicht ganz so gutes Gefühl hatten. Ich meldete mich bei Tobias und versprach ihm, mich abends nach unserem ersten Eindruck nochmal zu melden.

Wir hatten noch viel Zeit bis 17:00 Uhr und so fuhren wir an unserer von Daya mitgeteilten Adresse etwas außerhalb des Ortes vorbei in den Ort rein. Pauanui lag am Ende einer Sackgasse. Um hierher zu kommen gab es nur eine Zufahrts-Straße. Bei schönstem Sonnenschein fuhren wir durch die menschenleeren Straßen. Die Straßen waren breit, Palmen säumten den Straßenrand, an dem viele kleine Villen standen. Nichts wirkte hier bodenständig. In jedem dritten gepflegten Vorgarten stand ein Boot. Holla, wo waren die kleinen flachen Einfamilienhäuser? Wir drehten unsere Runden und staunten über den Überfluss. Schließlich hielten wir am Strand... hier war es schön und idyllisch und wir trafen sogar auf eine kleine Familie in diesem sonst so ausgestorbenen Ort. Eine Familie, die zum Fotoshooting an den Strand gefahren war... naja, es kann eben auch nicht alles stimmen! ;) In heldenhaften Posen ließen sich die drei jugendlichen Mädels ablichten, bevor sie wieder fuhren. Mit Hinblick auf den anstehenden Autoverkauf und bei so gutem Wetter nutzte ich gleich die Gelegenheit, auch unseren Ole in netter Pose zu knipsen. Wieviel hatte dieses Auto im letzten Jahr mit uns erlebt... und wir mit ihm.

Es ging so langsam auf 17:00 Uhr zu und wir fuhren wieder raus aus Pauanui. 10 Minuten außerhalb irgendwo am Straßenrand sagte unser Navi uns, wir hätten unser Ziel erreicht... Hier gab es eine Abzweigung und ein altes Restaurant, was die besten Tage bereits hinter sich hatte... aber sonst? Wir hielten am Abzweig und während wir warteten, wanderte ich der Sonne hinterher, die schon tief stand und nur noch wenig wärmte. War das der Ernst von dem Daya? Wir standen etwas verloren am Straßenrand und erwarteten jedes Auto mit großer Erwartung und schauten ihm enttäuscht nach, wenn es wieder nicht hielt. Und dann mit 20 minütiger Verspätung fuhr ein weißer Pickup an uns vorbei mit der Aufschrift DNA Corporate. Das war doch die Firma, wo wir uns beworben hatten. Das Auto blinkte und bog ab... Moment mal, warum hielt der denn nicht? Wir stiegen ein und folgten dem Wagen. 15 Meter die Straße runter fuhr er auf einen kleinen Seitenparkplatz neben ein langgezogenes oranges Haus auf einer kleinen Anhöhe. Das war uns bisher noch gar nicht aufgefallen. Es sah aus, wie ein klassisches Roadhouse in den Ami-Filmen mit mehreren Türen. Vor dem Haus hingen tibetische Gebetsfahnen. Verblasst auf einem modrigen Holzschild prangte an der Seite des Hauses in großen Buchstaben "Lodge El Marko". Eine Lodge also. Aus dem Pickup stiegen zwei Männer: Einer mit hellrotem Bart und Mütze, der einen großen Rucksack vom Rücksitz nahm und ein eher klein Gewachsener: Dunkler Kurzhaarschnitt, indische Hautfarbe, im weißen Hemd. Das musste Daya sein. Etwas irritiert schaute uns Daya an und der Groschen fiel erst, als wir uns vorstellten. Er fasste sich an die Stirn: "Ich dachte, ihr kommt erst morgen!" Immerhin hatte er uns nicht völlig vercheckt. Anscheinend war da einiges durcheinander geraten. Er erklärte uns, dass wir ursprünglich morgen bereits mit der Arbeit anfangen sollten und er uns deshalb für heute einbestellt hatte. Aber da ein Teil unserer Arbeitsgruppe erst morgen hier ankommen würden, hatte er das alles nochmal um einen Tag verschoben. Nur leider war diese Information nicht bei uns angekommen. Naja wo wir schon mal da waren, er winkte uns in den Aufenthaltsraum der Lodge, gemeinsam mit dem Bärtigen, der ebenfalls aus seinem Auto gestiegen war. Es stellte sich heraus, dass er Leon hieß und auch heute erst angekommen war. Daya hatte ihn von der nächsten Bushaltestelle abgeholt. Als Daya kurz den Raum verließ um im Büro nach etwas zu suchen, hatten wir die Gelegenheit ein paar Worte mit Leon zu wechseln. Leon war ebenfalls aus Deutschland und machte einen insgesamt lockeren, aber auch sehr verplanten Eindruck. Irgendwie etwas high. Während wir uns etwas unbehaglich in dem absolut muchtigen, dreckigen Aufenthaltsraum umschauten, lehnte er sich in die staubige, fleckige Couch zurück und lachte: "Ich finds chillig hier! Oh, schaut mal Schokolade!" Und er beugte sich vor und bediente sich an einer weißen Schokolade. Wir sahen uns vielsagend an... die gehörte doch bestimmt jemandem. Dreist bot er uns auch welche an, was wir dankend ablehnten. Es war schwierig ein Gespräch mit ihm anzufangen... Irgendwie redete er an allen Fragen vorbei. Er sei Businesscoach... ich musste ihn wohl ziemlich fragend angestarrt haben, was ihn in einem Lachanfall stürzte. Er zeigte immer wieder mit dem Finger auf mich und kicherte. Ich hatte das Gefühl, im falschen Film zu sein. Die Frage, wie man zu so einem Berufstitel kommt, hätte ich mir vermutlich eher verkneifen sollen. Er hatte sich gerade wieder etwas beruhigt, als er bei meiner Frage erneut in einen Lachflash verfiel. Ok... Merkwürdiger Typ. Fast erleichtert waren wir, als Daya endlich wieder den Raum betrat. Die Arbeitsverträge würde er uns morgen geben, wenn der Rest da wäre. Wir würden wohl noch auf zwei Männer warten, einer kommt mit dem Auto, einer mit dem Bus direkt aus Auckland. Dann klärte er alle Formalitäten. Zur Zeit wohnen hier zwei andere Gruppen, die für ihn arbeiten: Vier Jungs aus Deutschland, die die selbe Arbeit machen wie wir. Und vier Tschechen... Unter der Aufsicht seines Freundes Ham aus Indien seien diese für das Pruning der Kiwi-Bäume zuständig. Das sei sehr anstrengend, aber die Truppe macht es wohl ganz gut. Jedoch würde eine Einarbeitung in das Zuschneiden der Bäume zu aufwendig sein. Ich atmete innerlich erleichtert auf: Bisher wusste ich vom Pruning nur eins: Das war wirklich Knochenarbeit. Und das ganze auf Zeit, das klang wirklich nicht nach Vergnügen. Unsere Aufgabe würde das "Stringing" sein. Dabei richtete man Holzpfähle auf und knotete 16 Fäden an die Drähte neben den Bäumen. An den Leinen können dann die Kiwipflanzen empor ranken. Das klang ja sehr spannend und war nur schwer vorstellbar. Wir könnten die Jungs ja schonmal danach fragen. Bezahlt wird per aufgerichtetem Posten: 5 NZD pro Pfahl, dividiert durch 5 Leute in der Gruppe: 1 Dollar pro Pfahl. Rechnete man weiter kam man beim Erreichen des Mindestlohnes auf 16 Pfähle pro Stunde, was 256 Knoten in der Stunde... und damit 64 Knoten pro Person bedeutete. Aha, so viel zu den Fakten. Vorstellen konnte ich mir das Ganze noch nicht. Daya erzählte indes weiter und ich konnte das "good money" schon nicht mehr hören. Abgesehen davon wirkte er ganz nett. Draußen war es etwas lauter geworden: Die Tschechen waren von ihrem Arbeitstag zurück. Gearbeitet wurde 5  Tage in der Woche... die Tage und Zeiten konnten wir uns dabei frei einteilen und sollten in der Gruppe entschieden werden. Daya zeigte uns im Anschluss die Zimmer: sie waren... eng und ähnlich dreckig wie der Rest. In den Mehrbettzimmern standen je zwei Doppelstockbetten auf engstem Raum... sie waren nicht größer als unser Doppelzimmer. Platz für Gepäck? Fehlanzeige. Wie froh waren wir, dass wir in unserem Zimmer da besser dran waren. Leon ging zu Ham ins Zimmer, der sich auch auf den anderen drei Betten ausgebreitet hatte. Aber er fand es cool und klopfte begeistert gegen die Holzbetten. Wir ließen uns auf das Bett fallen und atmeten erstmal durch. Die Wandlampe war kaputt... das Fenster von innen klitschnass... generell war die Feuchtigkeit in diesem Raum sehr hoch und alles war kalt. In dem Bettzeug hier würden wir nicht schlafen... wir verbannten das modrig riechende Bettzeug im Schrank und holten unser eigenes aus dem Auto. Jetzt war es schon etwas gemütlicher. Vom Deckenventilator rieselten Staub- und Dreckklumpen, als ich diesen aus Versehen an Stelle des Lichtschalters bediente. Merken: Auslassen! Wir lüften kräftig, in dem wir Tür und Fenster aufließen. So, so... wir waren ja wirklich nicht anspruchsvoll, aber uns graute es vor dem Rest des Hauses... und das für 110 Dollar pro Person pro Woche.

Wir trafen Daya im Büro... oder zumindest nannten er und Ham es so. Ein vollgerümpelter Raum, den man nicht betreten konnte, da er mit Schränken und Tischen zugestellt war. Er zeigte uns den Rest des Hauses. Nirgendwo gab es fest installierte Heizungen. Im Bad schwamm eine riesen Pfütze auf dem Boden, eine Spinne krabbelte aus dem Waschbecken... die Küche war ein einziger Saustall. Meine Laune sank mit jedem neuem Zimmer. Leon dagegen kam nach wie vor aus dem Grinsen nicht raus. Er war im siebten Himmel angekommen... . Trockner und Waschmaschine liefen für 2 NZD... "Gutes Stichwort", tönte es von hinter uns. Die Tschechin (und einzige weitere Frau) Marcella wies Daya daraufhin, dass der Trockner nach wie vor nicht funktionierte. Gut zu wissen... hinter dem Haus hatten wir schon eine Wäscheleine entdeckt. Dann doch lieber die zeitaufwendigere Variante. Nachdem unser Rundgang beendet war, kam auch die zweite Arbeitsgruppe nach Hause. Es war schon dunkel geworden und alle drängten sich in der Küche herum. Es war unübersichtlich, aber es herrschte ein fröhliche Stimmung. Meine Laune besserte sich. Sie sahen allesamt nicht unzufrieden aus und wirkten ziemlich ausgelassen. Daya und Ham hatten sich jeder ein Bierchen aufgemacht und wir standen draußen. Beide waren begeistert, als sie erfuhren, dass wir bereits schonmal in Indien waren. Daya kam aus Nepal... dennoch sprachen die zwei Hindi miteinander und wollten wissen, warum und wo wir in Indien waren. Aus dem Raum der Tschechen stieg uns der bekannte Grasgeruch in die Nase... und als wir mit den 4 Jungs aus Deutschland sprachen, wirkten auch diese nicht unzufrieden. Sie nahmen uns beiseite und erklärten uns, dass das Erreichen des Mindestlohnes kein Problem sei und die Arbeit körperlich wirklich angenehm sei. Eintönig aber alles in allem nicht übermäßig anstrengend. Gut machbar! Luca, Jan und Jonas  waren junge Abiturienten, die gemeinsam erst vor ein paar Wochen in Neuseeland angekommen waren. Jonah hingegen war schon etwas länger hier und alleine unterwegs. Eine nette Truppe... wenn auch etwas unerfahren und absolut chaotisch in der Küche. :D Wir würden sicher noch häufiger Zeuge ihrer Art werden, das Leben fernab von Muttis Hilfe zu meistern. Etwas hilflos, aber absolut liebenswert! Überall zog es kühl in die Räume: Daya war unterdessen ins ein Auto gestiegen und nach Hause zu Frau und Kindern gefahren. Marcella hatte Mitleid mit uns als sie an unserem Raum vorbei kam... Sie und ihr belgischer Freund Jerome hatten noch eine private kleine Heizung, die sie uns liehen... Nur so überlebten wir die nächste eisige Nacht. Abends auf unserem Zimmer schrieb ich noch Tobias eine Nachricht... es stellte sich heraus, dass er einer der beiden unserer Arbeitsgruppe war. Morgen gegen 17 Uhr würde er hier mit seinem Auto aufschlagen. Wir schrieben noch etwas hin und her... er klang nett, auch wenn ich mir denken konnte, dass er von dem Zustand der "Lodge" wie wir eher geschockt sein würde. Ich warnte ihn etwas vor und war gespannt, wer da morgen vor uns stehen würde! Aber auffälliger als dieser Leon ging ja eigentlich kaum. Wir lauschten auf unsere Mitbewohner... Verrückter Ort... wo waren wir hier nur gelandet! Unser letzter Monat hatte begonnen: Zeit nochmal ganz neue Eindrücke zu sammeln! :)


Lodge El Marko
Lodge El Marko

Tatsächlich fülte sich die Nacht nochmal eisiger an, als die Gestrige. Aber das konnte auch an dem nasskalten Steinwänden der Zimmer liegen. Gegen 7 Uhr waren beide Gruppen bereits unterwegs auf dem Weg zur Arbeit. Leon hatte seine Chance genutzt und war mit den anderen Jungs mitgefahren, so dass wir etwas später, als alles ruhig war, unseren Tag mit sturmfreier Bude begannen. Nach den Nächten in Ngatea war eine Dusche mal wieder überfällig... Die Duschräume waren... naja... Sauber war wirklich anders... aber wenigstens war das Wasser warm und man musste ja die Badelatschen nicht ausziehen. Als Nächstes testeten wir die Waschmaschine... Gesund klang die auch nicht. Wir hatten das Gefühl, direkt neben uns würde ein Helikopter landen! Die Maschine sprang auf und ab... Wahnsinn. Irgendwie kam unsere Wäsche sauber dort wieder raus und wir hängten alles auf die Leine hinters Haus... Doof nur, dass hier niemals Sonne hinkommen würde... direkt hinterm Haus ragte ein Berg mit dichtem Busch empor... Im Winter gab es hier einfach keine Sonne. Naja... dann musste der Wind es richten, hofften wir. In der Küche erwartete uns das reinste Chaos... Krümel und Essensreste auf der Anrichte, ein Geschirrberg im Waschbecken. Die vermeintlich abgewaschenen Sachen waren nass ins Regal gestellt worden und waren von einem schmierigen Belag bedeckt. Hm... Wir schafften unsere Vorratskiste samt eigenem Geschirr in die Küche. Auch wenn wir befürchteten, dass es ein sinnloses Unterfangen sein könnte, brachten wir danach die Küche wenigstens so halbwegs auf Vordermann... Wenigstens ein wenig Wohlfühlen sollte doch irgendwie möglich sein. Später sollten wir lernen, dass das vergebene Müh war... aber einen Versuch war es wert. Den Rest des Tages bis 17 Uhr füllten wir mit Handy und Blogschreiben.

Es ging auf 17:00 Uhr zu, als Daya und ein weiteres Auto vorfuhren... Der Rest unserer Gruppe! Wir warteten gespannt. Tobias war ein hochgewachsener, freundlich-sarkastischer Kerl mit Mitte Zwanzig. Hinter ihm, einen Rollkoffer hinter sich herziehend, stiefelte ein eher untersetzter, kleiner Typ daher. Er stellte sich als Max vor. Beide Jungs wurden in unser benachbartes Zimmer zu Ham und Leon einquartiert. Max schaute etwas überrascht-schockiert drein... Tobias grinste amüsiert. Wie gut, dass ich ihn darauf vorbereitet hatte. Während Daya seine Einführungen erneut runterbetete, sah ich mir den Max genauer an... den hatten wir doch irgendwo schon mal gesehen! Und dann fiel es mir ein... wo kam er her? Mit Bus aus Auckland? Kai konnte sich nun auch erinnern! Natürlich hatten wir ihn schon mal gesehen... Am Tag als wir von unserem Südseeurlaub zurück gekommen waren... im IEP Büro! Er war der Held, der seiner Freundin lautstark am Telefon von seinen ersten Abenteuern berichtet hatte! Wir mussten uns ein Lachen verkneifen! Wie klein war doch diese Insel! Max erinnerte sich offensichtlich an uns nicht. Ich behielt das lieber noch für mich. Wir vier bekamen unsere Arbeitsverträge ausgehändigt und sollten diese in Ruhe prüfen. Dazu luden wir kurzerhand Max und Tobias in unser Zimmer ein. Die kleine Heizung hatte es angenehm warm gemacht. Unter uns in kleiner Runde, lachte Tobias ungläubig und fassunglos los... Er konnte es noch nicht fassen, dass das alles hier real war. Er gehörte zu der Sorte Mensch, die ihr Lachen nicht verloren, egal wie  abstrus die Situation wurde. Max hingegen sah eher bedröppelt drein. Klar... er war ohne Auto irgendwie mehr gestrandet hier, als der Rest von uns. Wir waren erleichtert, dass die anderen Zwei genauso skeptisch und erschreckt wie wir waren. Noch ein Leon, der das alles lustig und chillig fand, wäre dann auch zu viel des Guten. Durch die geschlossene Tür konnten wir hören, wie die Gruppen zurück gekommen waren und Leon voller Überzeugung berichtete, Wetter riechen zu können. Ja nee, ist klar. Wir prüften den Vertrag sehr genau. Unsere gemeinsame Skepsis ließ sich nicht auflösen, aber irgendwie waren wir jetzt auch alle hier in der selben Situation und wollten es versuchen! Wir verstanden uns gut und hatten schon jetzt viel einander zu erzählen. Wir waren bereit für das Abenteuer "Dayas Stringing Job"! Mit Unterschreiben des Vertrages, sammelte Daya die erste Miete im Voraus ein. Morgen sollte es losgehen... am Abend unterhielten wir uns noch lange mit den anderen Jungs... während es aus dem Zimmer der Tschechen erneut qualmte, zog Leon schon den ganzen Abend an einem Kugelschreiber. Das tat er so ganz nebenbei. Max war es schließlich, der ihn darauf ansprach. Leon quittierte das durch ein aufgesetztes Husten, wobei er den Stift nach wie vor wie eine Zigarette zwischen Zeige- und Mittelfinger hielt. Er rauchte... er rauchte tatsächlich an einem Stift. Kai und ich vermieden es, ihm noch mehr Aufmerksamkeit zu schenken, als Tobias und Max, die deutlich irritiert durch sein Verhalten waren, es eh schon machten. Tobias konnte schließlich wieder nur noch lachen... wieder war es  dieses ungläubige "Wo-bin-ich-hier-nur-gelandet-Lachen"... Er zog das Stiftrauchen ins Lächerliche, indem er allen Ernstes trocken darauf einstieg und fragte, ob er auch mal ziehen dürfte. Nun mussten wir auch grinsen... Doch selbst nachdem diese Situation vorbei war, zog Leon es den gesamten Abend durch, ununterbrochen seinen Stift zu rauchen! Willkommen im Irrenhaus, der ganz normale Wahnsinn in der Lodge El Marko... Hier bei klaren Verstand zu bleiben, schien nun die Challenge der nächsten vier Wochen für uns zu sein! Und es hatte gerade erst begonnen...

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