Die sturmartigen Windböen hielten bis zum nächsten Morgen. Wir entschieden kurzerhand, dass es hier keinen Sinn machen würde, den Gaskocher anzuwerfen! Der Wind würde die Flammen sofort wieder auspusten und alles würde länger dauern. Da es eben Böen waren, half es einfach auch nichts, sich wegzudrehen vom Wind: Gefühlt kam er stoßweise von überall! :) Aber wir fanden schnell den perfekten Ort für ein Frühstück und dafür mussten wir nicht mal weit fahren: Direkt hinter uns erhob sich der Kaiti Hill. Tatsächlich standen die Bäume so, dass sie den Wind ganz gut abfingen (windstill war es auch nicht, aber besser als unten). Auf den Picknickbänken bereiteten wir alles vor und setzten uns danach wieder gemütlich ins warme, nun wirklich windstille Auto. Mit dem Blick über die Poverty Bay genossen wir die Schokobrötchen, den Tee und Kaffee! :) Danach ging es ans Tagesgeschäft. Da wir schonmal in einer Stadt waren, gab es allerhand zu erledigen... Als erstes statten wir dem Schwimmbad hier einen Besuch ab und aus den Duschen waren neue Menschen geboren! Das Geschirr wurde an der nächsten Dump Station abgewaschen und bei dem günstigen Großhandelsmarkt Pak´n´save stockten wir unsere Vorräte für die nächsten Tage auf!
Dann war es an der Zeit Gisborne den Rücken zu kehren. Mehr gab es vorerst hier für uns nicht mehr zu erledigen. Es gab zwei Straßen, die Richtung Napier führten. Die stärker Befahrene verlief nahe der Küste... wir aber entschieden uns für die eher einsame, kurvige Bergstraße über den Gentle Annie Pass. Es war so schön, gemütlich durch die sonnige Landschaft zu fahren, ohne dass immer neue ungeduldige Autofahrer einem hinten im Kofferraum (bzw. bei uns in der Küche) hingen! Es ging durch eine urige Landschaft. Vorbei an Tälern mit schnell fließenden Flüssen, auf grünen Hügeln standen kahle Bäume, die uns immer aufs Neue verdeutlichten, dass der Winter nun endgültig Einzug gehalten hatte! Die saftig grünen Hügel wichen bald schroffen, felsigen Bergwänden neben der Straße und wir sahen wilde Ziegen, die von der Straße wegsprangen und sich galant einen Weg durch das unwegsame Terrain suchten. Nicht selten war unsere Straße durch Erdrutsche nur einspurig befahrbar... Manchmal war eine Spur einfach abgesunken oder weggebrochen. Willkommen auf Neuseelands Straßen! Es war bereits Nachmittag als wir bei den Te Reinga Falls einen Zwischenstopp einlegten. Diese Wasserfälle sind deshalb so besonders, da sie in einem 90° Winkel zueinander in die Tiefen eines Canyons donnern!
Wir wären nicht in Neuseeland, wenn die Maori nicht auch für diesen schönen Ort eine alte Legende auf Lager hätten...
Hoch in den Hügeln, so erzählt der hier ansässige Maori-Stamm, lebten einst zwei Wassergeister: Hine-korako und ihr Bruder Ruamano. Eines Tages entschieden sie, ein Rennen bis zum Meer zu veranstalten. Auf ihrem Weg zum Meer formte Hine-korako, die aus dem Hangaroa Gebiet kam, den Hangaroa Fluss, während durch Ruamano der Ruakituri Fluss geschaffen wurde. Beide rannten so schnell sie konnten... Als Hine-korako in Te Reinga ankam, war sie führend und ihrem Bruder um einiges voraus. Sie verschnaufte etwas auf einem großen Stein und kämmte ihre langen Haare. Ruamona hatte unterdessen aufgeholt und schuf in ihrem Rücken die Te Reinga Falls... deren Sog und Strom, wusch sie von ihrem Felsen und ließ sie schließlich mit den Fällen ins Wasser fallen! Hine-korako musste einsehen, dass sie durch diesen Trick ihres Bruder geschlagen war und entschied sich fortan, in diesem Gebiet zu bleiben. Seitdem lebt sie in diesem Fluss, beschützt Reisende und manchmal erscheint sie in Form eines weißen Aals, umgeben von einem weißen Licht. So hat sie viele Kanus des Stammes heil durch die Dunkelheit und an ihr Ziel geleitet.
Wir setzten unseren Weg in die Abendsonne fort. Der Te Urewera NP war nicht mehr weit. Am hoch gelegenen Bergsee Lake Waikaremoana wollten wir für die kommende Nacht kampieren. In der Dämmerung kamen wir an, nachdem sich unser Statehighway einfach mal in eine Schotterpiste verwandelt hatte, als er sich die Berge hochschraubte... Auf so einer Autobahn waren wir bisher auch noch nicht gefahren! Immer wieder freuten wir uns vor allem an steilen Passagen, dass wir uns damal für einen Allradantrieb entschieden hatten. Am See standen bereits 4 andere Autos. Wir quetschten uns dazwischen, da der Campingplatz diesmal wirklich nicht groß war. Aber wunderbar gelegen: inmitten der Bergwelt. Zivilisation war weit entfernt! Gerade im Vergleich zur letzten Nacht auf einem Parkplatz in der Stadt, war es hier wie im Paradies... wenn es nur nicht so kalt wäre! Kaum war die Sonne weg, fielen die Temperaturen in den Keller!!! Während Kai tapfer und eingemummelt in Jacken, Pullover, Mütze und mit Handschuhen draußen kochte, waren mir die Hände schon beim Kartoffelnschälen beinahe abgefallen. Im Auto unter den Decken versteckt wartete ich darauf, dass die Kartoffeln weich gekocht sind und ich meinen Einsatz beim Kartoffelnstampfen zeigen musste! Das draußen Kochen war einfach nur fies... Uns graute es schon vor dem morgigen Geschirrabwaschen... Aber bis dahin hatten wir noch etwas Zeit... wir verkrochen uns mit unserem Essen ins Auto und unter die Decken (die Eisklötze von Füßen wollten aber dennoch über Stunden hinweg einfach nicht warm werden). Es war wieder einer der Nächte, in der man besser nichts auszog... nichtmal die Mütze! :)
Die Kondensationstropfen im Innenraum unseres Auto hingen dick an den Scheiben... wir warteten sehnsüchtig auf die Sonne... doof an Bergseen ist nur: Die Sonne geht zwar auf, muss aber meist noch ordentlich am Himmel steigen, bevor sie auf die Seen scheinen kann. So standen wir natürlich im Schatten der Berge, als wir aus dem Bett kletterten. Von innen nasse Scheiben... von außen Eis auf der Scheibe... die Pfütze vor unserem Auto war gefroren... Wir waren also tatsächlich nicht einfach nur emfpindlich... sondern es war wirklich einfach nur kalt, kalt und nochmals kalt! Immer noch im Schatten der Berge mussten wir aber irgendwann auch ans Abwaschen denken... wir hatten schon versucht, es so lange wie möglich rauszuschieben... Während ich wieder mal mit Handschuhen das Geschirr abtrocknete, biss Kai die Zähe zusammen und wusch mit dem Seewasser tapfer ab! Der einzige Lichtblick: Der Himmel war klar! Irgendwann würde die Sonne auch uns hier unten erreichen. Nur 1-2 km weiter, startete der Grund für unseren nächtlichen Aufenthalt: Der Ruapani Track. 5 Stunden veranschlagte unser Wanderführung für diesen Rundweg durch den Te Urewera NP. Wir fackelten nicht lange und machten uns bei immer noch schneidenden Temperaturen im Schatten auf den Weg. Die Brücke, die wir passierten, war mit einer weißlich glitzernden Eisdecke bedeckt. Sobald die Sonne es auch bis hierher schaffte, würde davon nicht mehr übrig sein! Nach den ersten paar Metern , spürten wir wie unsere Füße langsam wieder warm wurden. Generell gab es nichts Besseres als bei den Temperaturen durch eine kleine Wanderung durch bergiges Gebiet den Kreislauf etwas in Schwung zu bringen! Unsere erste Rast machten wir am klaren Bergsee Lake Waikareiti auf 850 m Höhe! Glitzernd udn kristallklar lag er in der Sonne! Hätten wir ein Boot, wäre das der perfekte Moment gewesen um die kleinen Inseln in seiner Mitte zu erforschen. Weiter ging es danach durch tiefen Regenwald... dieser lichtete sich an vielen Stellen und gab Blicke auf zahlreiche Sumpfgebiete frei, nur um kurz darauf wieder im dichten und z.T. sehr kühlen, schattigen Wald zu verschwinden. In seiner Tiefe mussten wir mehrere Bäche kreuzen und auf mossbedeckten, rutschigen Steinen bis zum anderen Ufer springen! Von den Ausblicken mussten wir uns eingestehen: Es gab schönere Wanderungen... aber definitiv hatte diese Wanderung mit ihren kleinen Abenteuern dennoch einen Reiz!
An diesem Tag dauerte es lange bis ich wieder warm wurde... Mein Gesicht glühte zwar auf unserer Fahrt zurück an die Küste... aber innerlich war ich so durchgefroren, dass es mich noch mehrere Stunden lang schüttelte. Wie dankbar war ich, dass es hier in niedrigeren Lagen und an der Küste wieder deutlich milder war! Zurück auf dem Küstenhighway Richtung Napier bogen wir bald wieder in eine Schotterstraße ab. Unser Platz für die Nacht lag etwas ab von der Straße an der Mündung des Waikare Rivers ins Meer! Vor uns den Fluss, der eine sanfte Kurve machte, hinter uns die Berge, über die das Meeresrauschen zu uns drang. Neben uns eine grüne Weide... Es war ein schöner Ort... und in der Nacht konnten wir wiedermal einen sagenhaften Sternenhimmel bewundern (und das ganz ohne Bibbern ;)).
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