Wir schliefen wunderbar in unserem Auto, auch wenn das Bett durch die Küchenzeile tatsächlich noch etwas enger als in unserem Ole in Neuseeland war. Aber für den Urlaub würde es schon gehen! Nach dem Frühstück versuchten wir, halbwegs eine Planung in unseren bevorstehenden Urlaub zu bekommen. Die Taktik "so lange an einem Ort zu bleiben, wie es gefiel und zu gucken wohin einen der Wind so trägt", die uns fast ausschließlich in Neuseeland rumgebracht und von Tag zu Tag planen lassen hat, war hier nicht so angebracht. Immerhin hatten wir nur zwei Wochen hier und wollten so viel wie möglich sehen! Aber was genau, gab es hier denn nun zu sehen? Wir stellten ziemlich schnell fest: Wir brauchten einen Reiseführer! Einfach nur ein Buch, an dem man sich so ein wenig orientieren kann, was es wo zu sehen gäbe. Wir würden damit im nächstgrößeren Ort nach einem Buchladen Ausschau halten! Aber vorerst, wenn wir schon mal auf dieser kleinen Halbinsel South Arm Peninsula waren, wollten wir uns hier auch umgucken. Noch ließ das Wetter etwas zu wünschen übrig. Aber immerhin regnete es nicht und wir konnten einen kleinen Strandspaziergang in der Opossum Bay machen. So idyllisch, wie es von oben noch aussah, war es nicht. Denn überall reichten die Grundstücke hier bis direkt an den menschenleeren Strand ran. Da waren schon ein paar hübsche Häuschen dabei.
Aber wenig später waren wir beruhigt. Diese Tatsache Häuser am Strand vorzufinden, schien nur eine Ausnahme zu sein und es gab sie auch: Die ruhigen Sandstrände ohne Fensterfront im Rücken. Auf
unserem Weg von der Halbinsel runter nach Sorell klarte das Wetter immer weiter auf, bis wir in schönstem Sonnenschein in der Stadt ankamen! Trotz all unserer Bemühungen, fand sich hier jedoch
kein Buchladen. Wie schade... wie sollte es jetzt nun weiter gehen? Wir hatten vom Flughafen einige Touristenprospekte und Faltblätter mitgenommen. Dann mussten die in Verbindung mit dem freien
Internet von Mc Donalds wohl erstmal ausreichen. (Glücklicherweise hatten wir draußen ebenfalls WLAN Empfang ohne was von denen essen zu müssen! Hier in Tasmanien halfen uns ja tatsächlich unsere
neuseeländischen SIM Karten nicht weiter.) Es gab sogar eine Art Straßenkarte im Prospekt (zumindest mit den Bundesstraßen... Für alles weitere hatte Kai vorsorglich eine Offline Karte von Tassie
runtergeladen). Schnell hatten wir einige Unternehmungen für heute rausgesucht: Wir waren genau am Eingang auf die Tasman Peninsula... Diese und das ehemalige Gefängnislager Port Arthur standen
damit heute auf dem Programm. Es wurde wirklich Zeit, in den Tag zu starten und wir begannen den Roadtrip durch Tasmanien! :)
Wir merkten schnell, dass die Landschaft ganz anders war, als in Neuseeland... Wovon redeten nur die Neuseeländer, wenn sie sagten, dass Tassie fast so aussah wie Neuseeland und sich nicht
großartig unterschied?! Überall pellte sich die Rinde von Eukalyptusbäumen am Straßenrand, die Erde war rotbraun, lehmig und hart und es zogen sich zum Teil weite Steppen von fast schneeweißem
Grasland durch das Land! Ja, genau so hatten wir uns Australien vorgestellt! :)
Überall, wenn es nette Dinge zu sehen gab, wiesen braune Sightseeing-Schilder darauf hin. Das war schon sehr praktisch und wir hielten mehrfach auf unserem Weg... ob es sich um den Ausguck in die
Pirate Bay handelte oder um ein Blowhole. Ähnlich wie in Neuseeland auf der Südinsel bei Jacks Blowhole gab es hier keine aus dem Boden schießende Fontäne zu sehen... sondern wieder standen wir
landeinwärts vor einem Loch und sahen ins Meer hinein. Und auch mit alten Steinbögen, wie der Tasman Arch und überwältigend hohen Steilküstenufern konnte die Halbinsel aufwarten! Nicht schlecht
für den Beginn! Wir genossen unsere Fahrt und die Zwischenstopps. Und das Beste: Wir trafen kaum Touristen... natürlich waren wir außerhalb der Saison hier. Aber dennoch schienen sich nicht viele
Touristen auf diese australische Insel zu verirren.
Auf der Fahrt nach Port Arthur kamen wir an einem Platz vorbei, auf den wir bereits in einem der Faltblätter gestoßen waren: "Little Tasman Devils Unzoo". Alleine das Wort Unzoo hatte uns bereits vorher neugierig gemacht. Es stellte sich heraus, dass es sich hierbei um eine Wildtier-Aufpäppel-Station handelte, die sich ganz bewusst von einem Zoo, in dem Tiere für Touristen gefangen gehalten werden, abgrenzen wollte! Viele der Tiere, die hier landeten, hatten die Begegnung mit Autos nicht gut überstanden... waren verletzt, zu jung oder anderweitig krank und waren nur vorübergehend Gast. Mit Ausnahme der Känguruhs, die hier lebten. Und hier gab es ihn auch: Das Symboltier Tasmaniens... den nur noch hier lebenden Tasmanischen Teufel. Auf dem Festland Australiens ist er bereits seit dem 14. Jahrhundert ausgestorben. Damals fiel er dem Jagdeifer der Menschen zum Opfer. Nachdem er daraufhin unter Schutz gestellt wurde, wird er heute erneut bedroht. Allerdings durch etwas, was bisher nicht gestoppt werden kann: Die Devil Facial Tumour Disease. Tatsächlich übertragen die kleinen Raubbeutler (von denen er die größte lebende Art ist) über Bisse einen Gesichtstumor, der fast immer zum Tod führt. Es gibt nur noch wenige Gebiete, in denen krankheitsfreie Bestände leben. Trotz intensiver Bemühungen gibt es bisher keine Heilung dieser Erkrankung, der so viele Teufel zum Opfer fallen. Und genau deshalb gab es unter anderem den Unzoo... er übernahm unter anderem die Aufgabe einer Aufzuchtstation, um den Bestand der Tasmanischen Teufel weiter zu erhöhen und beobachtete und beschützte den krankheitsfreien Bestand im umgebenden Wildgebiet.
Auch wenn es schon späterer Nachmittag war und wir noch bis nach Port Arthur wollten, wollten wir uns hier eine erste Begegnung mit den kleinen Teufeln nicht entgehen lassen. Während der Fütterung zeigten uns die kleinen Kerle, wie sie zu ihrem Namen gekommen waren und warum sich ihre verheerende Krankheit so schnell ausbreiten konnte. Tatsächlich geben sie laute Schreie von sich, wenn sie aufgeregt sind... und ihre Ohren färben sich rot. Bei so einer Fütterung darf man schon mal aufgeregt sein und seine Beute vor dem Konkurrenten verteidigen.
Klassisch für sie ist, dass um ein Stück Fleisch gekämpft wird... dass es da eventuell noch ein Zweites Stückchen gibt, ist erstmal nebensächlich. Und wenn man es dem Anderen schon nicht entreißen kann, dann muss man eben Schnauze an Schnauze die Knochen zermalmen. Wie schnell es da zu Bissverletzungen des Anderen kommen kann, war ersichtlich! Dabei knurrten sie und das Knochenknacken unter ihren festen Kiefern war deutlich zu hören. Es war nur zu leicht verständlich, dass Menschen früher an Teufelskreaturen dachten, wenn sie die schwarzen kleinen Räuber mit den roten Ohren sahen, des Nächtens hörten oder auch nur rochen (die haben wirklich einen sehr unangenehmen Mundgeruch... aber was erwartet man von größtenteils Aasfressern)! Es war spannend ihnen zu zuschauen und sie zu beobachten... ob wir sie jetzt als "niedlich" bezeichnen würden... naja, nicht wirklich. Aber absolut faszinierend, dieses heute so seltene Tier in seinem Lebensraum beobachten zu können!
Auch "den Cousin" des Teufels fanden wir hier: Einen weiß gepunkteten Quoll (den ebenfalls nur in Tasmanien vorkommenden Tüpfelbeutelmarder). Diese kleinen Kerlchen waren schon deutlich niedlicher mit ihren spitzen Gesichtchen. Die Fellzeichnung der braunen Quolls erinnerte allein stark an kleine Rehe und machte sie sofort sympathisch. Aber auch die schwarzen possierlichen weißgetüpfelten Marder waren eine Schönheit. Diesen Tierchen in freier Wildbahn zu begegnen sei ausgesprochenes Glück... auch sie sind leider wie ihr größerer Bruder, der Teufel, im Rest von Australien ausgerottet worden.
Neben den hier lebenden Känguruhs und den überall auf der Insel vorkommenden Pademelons (auch diese findet man nur noch in Tasmanien... es handelt sich um die zur Gattung der Känguruhs gehörenden Filander... winzig kleine Känguruhs mit einer Art Rattenkopf... zu niedlich!), wurde uns hier auch die bunte Vogelwelt Tasmaniens näher gebracht! :) Den Rosakakadu hatten wir ja einen Tag zuvor bereits kennen gelernt... und auch den wunderschönen bunten Rosellasittich hatten wir in ganzen Schwärmen bereits aus dem Auto neben uns herfliegend beobachten können! Besonders viel Eindruck machte hier Kermit... ein Trawny Frogmouth, zur Familie der Eulenschwalme gehörend. Wir hatten weder von dieser Vogelfamilie gehört, noch jemals so einen merkwürdigen Vogel gesehen. Auch wenn er noch so sehr wie eine Eule aussah, so gehörte er nicht zu dieser Familie und war eine eigene Spezies. Mit seinem sehr breiten Schnabel war klar, warum er auch als Froschmaul bezeichnet wurde. Auch diese Vögel sind nachtaktiv und schützen sich vor größeren Raubvögeln indem sie sich als Ast tarnen und in einer Starre mit in den Himmel gereckten Kopf versteinern. Genau das hatte Kermit die letzte halbe Stunde getan, während die anderen Vögel vorgeführt wurden... erst jetzt war klar, dass dieser braune Ast dahinten mehr als nur ein Ast war. Kermit hatte einen Zusammenstoß mit einem Auto zwar überlebt, konnte aber seitdem nicht mehr fliegen. Leider ist dieser Schaden nicht zu reparieren, so dass auch er zu den Dauergästen im Unzoo gehört. In der Nacht würde er aber gerne hin und wieder Spaziergänge unternehmen. Dabei müssten seine Retter allerdings immer gut aufpassen, dass er sich von den kleine Teufeln fernhielt. An ihm sahen die Mitarbeiter des Unzoos auch gleich, wenn sich ein Raubvogel über dem Gebiet aufhielt. Noch bevor sie ihn selbst sichten konnten, versteinerte er zu einem Ast und nicht mal Futter ließ ihn erweichen. Wir hatten einen tollen erkenntnisreichen Nachmittag inmitten dieser faszinierenden Tierwelt von Tasmanien und blieben bis zur letzten Minute der Öffnungszeiten!
Natürlich war es jetzt mit 16:30 Uhr schon recht spät... aber für unsere Pläne kam es genau richtig. Wir hatten gelesen, dass in Port Arthur auch Abendführungen, sogenannte Ghost Tours angeboten wurden. Genau so eine passte noch sehr gut in unser Tagesprogramm und würde sicher einen würdigen Abschluss für die Tasman Halbinsel bieten. Gleichzeitig war dies eine Gelegenheit, die dunkle Vergangenheit dieses Ortes auf eine andere, besondere Art zu erleben! Aber woraus besteht diese dunkle Vergangenheit? Früher hatte dieser Ort die Funktion einer Sträflingskolonie (von 1833 bis Mitte 1870). Prädestiniert war er durch seine natürlich ausweglose Lage. Als Halbinsel war die Kolonie von der haiverseuchten Tasmansee umgeben und nur eine 30m breite Landbrücke Eaglehawk Neck stellte eine Verbindung zur restlichen Insel her. Dieser Abschnitt wurde durch Wachen, einen Zaun und berüchtigte Wachhunde gesichert. Es galt als eines der sichersten Gefängnisse zu seiner Zeit. Wer hierher gebracht wurde, war Schwerverbrecher oder in anderen Gefängnissen aufgefallen. Hier wurden die Sträflinge zum Arbeiten im Steinbruch gezwungen, ebenso errichteten sie durch dieses Arbeitslager ihr eigenes Gefängnis und die Gebäude der Wärter, des Arztes und schließlich auch die Kirche.
Unsere Touristenführerin, eine wundebare Geschichtenerzählerin, die es genau verstand eine schaurige Atmosphäre zu schaffen, zeigte uns nach Einbruch der Dunkelheit, was von damals übrig
geblieben ist. Im Schein von einigen Handlaternen besuchten wir als erstes die Kirche. Sie warnte uns im Vornherein vor dieser Tour... Denn dass diese Tour Gost Tour heißt kam nicht von
ungefähr... Wir sollten uns bereit machen für eine mögliche Begegnung der dritten Art. Es mag merkwürdig klingen, aber sie konnte ihre Stimme so gut einsetzen, dass wir gebannt ihren Geschichten
lauschten... und uns nicht selten eine Gänsehaut über den Rücken fuhr. Es sollen wahre Schicksale gewesen sein, die sich hier zutrugen... und tatsächlich war es nicht selten, dass manche
Häftlinge hier keinen anderen Ausweg sahen, als durch ihren eigenen Tod zu entkommen. Immer wieder hatten seither Besucher dieses Ortes von Geschehnissen und Erlebnissen berichtet, die nicht
erklärbar sind, sondern rastlosen Seelen zugeschrieben werden. Auch wenn wir beide nicht an paranormale Phänomene glauben, tut ein klarer Mond, der Schatten an die dunklen Mauern, einer alten
Kirche wirft sein Übriges, um eine gruselige, erdrückende Atmosphäre zu erzeugen. Dazu das Flackern der Laterne... und die gespannte Stimme unseres Tourguides. Im Kreis standen wir in der alten
Kirche um sie herum und sie erzählte leise von den zwei Häftlingen die durch Suizid diesem Ort entkamen... Einige Jahre später fiel die Kirche einem Feuer zum Opfer... beim Wiederaufbau hätten
Maurer Gelächter gehört, bevor einer ihrer Kollegen in den Tod stürzte... War es ein Unfall? Stille... und völlig unerwartet, durchschnitt ihre laute Stimme die Stille... Wir fuhren zusammen! Sie
wusste wirklich, wirklich, wie sie die Leute in ihren Bann zog. So ging es immer wieder zu neuen Orten auf dem Gelände, wo Dinge gesehen, gerochen, gefühlt oder gehört wurden und an denen früher
jemand verstorben war. Es war einfach nur spannend und gruselig zugleich! Hinten als letzter in der Gruppe laufen, erzeugte dieses Kribbeln im Nacken, die Sinne waren geschärft... sah man ein
Lichtflackern, hörte man ein Rauschen... oder Wispern... tatsächlich vermied ich es bei Zeiten in die dunklen Fenster der Gebäude zu gucken. Und es war faszinierend, wie diese Spannung
aufrechterhalten wurde... nur durch Geschichten von Einzelschicksalen... keine Specialeffects... keine Schauspieler... nur wir, dieser Ort und unsere begnadete Geschichtenerzählerin. Vielleicht
war es ganz gut, dass wir nicht alles in kompletter Form verstehen konnten... :) Ihr letzter Satz, als wir fast wieder beim Visitor Centre waren, jagte uns nochmal einen Schauer über den
Rücken... "Manche spüren es... manche nicht. Haben Sie eine gute Heimfahrt. In diesem Fall haben wir es geschafft, und alle werden diesen Ort wieder verlassen... doch mancher vielleicht nicht
allein..."
Zurück im Auto checkten wir erstmal den Rückraum und schüttelten die Gruselatmosphäre von uns ab. Dieser Besuch hatte auf jeden Fall Eindruck hinterlassen! :)
Im Dunkeln fuhren wir zurück zum Beginn der Halbinsel auf einen kostenfreien Campingplatz in Dunalley, wo ein ereignisreicher Tag zu Ende ging... und das ganz ohne Reiseführer! :) Wenn ich mir das rückblickend so durchlese, bin ich mir eigentlich sicher, dass dieser Tag mehr als 24 Stunden gebraucht haben muss... Unvorstellbar, dass das tatsächlich alles in einen tasmanischen Wintertag gepasst haben soll... So konnte es gerne weiter gehen! :)
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