Der Wecker klingelte eine Stunde später als gewohnt am Montagmorgen, den 10.04.2017. So kam es, dass wir aufgrund der inneren Uhr schon geraume Zeit vorher wach waren. Lustlos drehten wir uns nochmal auf die andere Seite. „Kaiiii...“, quengelte ich, „Wir haben uns immer noch nicht woanders beworben.“ Mit einem Riesenseufzer standen wir letztendlich doch auf. Unsere Motivation war auf dem Tiefpunkt, wenn wir an die Arbeit dachten... welche Motivation?! Es gab einfach keine... Null! Hier musste sich was ändern und zwar jetzt! Entschlossen schrieben wir eine SMS an eine Nummer von einem Aushang (Vineyard Arbeit in Martinborough), den wir bei Ankunft auf der Nordinsel in Featherston in einem Laden gesehen und vorsichtshalber (trotz zwei Jobzusagen!!!) mal abfotografiert hatten. Wir hätten niemals gedacht, dass wir dieses Foto so schnell... wenn überhaupt... mal brauchen würden! Beim Frühstück überlegten wir noch, ob es doof ankommt, wenn wir zur Not doch nochmal bei Katy anfragen würden, ob sie noch Leute brauchten. Das könnten wir ja heute Abend mal auskundschaften, wenn Laura und Michelle wieder da waren. Wir schlurften zum Auto zurück, holten das Zahnputzzeug und ich warf eher aus Uhrzeitgründen noch schnell einen Blick auf mein Handy... Was war das?! Da leuchteten uns doch tatsächlich zwei verpasste Anrufe und eine SMS entgegen!!! Gerry vom Vineyard hatte es offensichtlich sehr eilig, uns zu treffen! In der SMS schrieb er, dass er sich freuen würde, wenn wir zu seinem Team gehören würden. Wir riefen ihn sofort an und er fragte uns, ob wir nicht gleich heute vorbeikommen und anfangen wollten! Wie verrückt war das denn? Wir hatten den Notausgang gesucht... aber wussten nicht, dass unter uns anscheinend genau im richtigen Moment eine Notfalltür aufgegangen war und uns ganz neue Möglichkeiten gab! Da war nichts mehr zu überlegen und wir kündigten sofort!!! Es war merkwürdig, wie befreiend sich das anfühlte! Es war so, so, so, soooo gut! Ich rannte gleich zu Rebecca und Patrick und informierte die beiden darüber, dass wir so eben eine neue Arbeit gefunden hatten. Die zwei freuten sich sehr für uns, waren aber auf der anderen Seite auch traurig, uns als Arbeitskollegen zu verlieren. Wir versprachen ihnen, dass wir zumindest heute Abend wiederkommen würden (bis wir eventuell eine neue Bleibe in Martinborough gefunden hätten...). So lange müssten wir halt pendeln wie Michelle und Laura.
Wir machten uns sofort auf den Weg nach Martinborough. Auch wenn wir Dot gerne auflaufen lassen hätten, so hatten wir doch noch ausreichend Anstand, sie per SMS davon in Kenntnis zu setzen, dass wir keinen Tag länger für sie arbeiten würden. Gleichzeitig schrieb ich ihr, dass wir sehr unzufrieden mit den vor Ort herrschenden Arbeitsbedingungen seien und wie traurig wir es finden, dass Arbeitssicherheit für sie so wenig bedeutet. Überraschenderweise kam sogar eine Antwort: „Thanks“. Das war das letzte, was wir von dieser schrecklichen Person hören sollten... andersrum aber nicht. Wir waren noch nicht mit ihr fertig, das war gewiss. Aber vorerst freuten wir uns bei zum ersten Mal strahlendem Sonnenschein und klarem Himmel auf unsere neue Arbeit! Schlimmer konnte es nicht sein. Gerry klang am Telefon schon super nett. Kurz vor Martinborough sollte ich ihn nochmal anrufen, damit er uns „empfangen, durch den Papierkram leiten und schließlich zum Team bringen kann“! Wie gut das klang... „Teamarbeit“... Wir hatten noch etwas Zeit uns über das Weingut zu belesen. Tatsächlich ist das Weingut „Ata Rangi“ kein unbeschriebenes Blatt! Im Gegenteil: Es ist bekannt für seine sehr guten, von Weinkritikern sogar zu einem der besten gekürten Pinot Gris Weinen! Der Chef Clive, der das Ganze damals als Familienprojekt mit mehreren Try-and-Fail-Erfahrungen auf die Beine gestellt und über Jahre schließlich zu einem erfolgreichem Weingut gebracht hatte, engagierte sich zudem sehr für Umweltschutz und Nachhaltigkeit. Er wurde sogar von Neuseelands Regierung diesbezüglich geehrt! Das klang fast zu schön, um wahr zu sein. Aber es war wahr... Wir wurden von Gerry aufs Herzlichste empfangen: „Kommt, lasst euch erst mal umarmen!“ Damit drückte er sowohl mich, als auch Kai an sich, als wir ihm die Hand entgegenstrecken wollten. Wir waren so verdutzt, und hofften, nicht aufwachen zu müssen aus diesem zu schönen Traum. Gerry war einfach ein so lieber, lebensfroher Mensch! Er lachte die ganze Zeit und quatschte fröhlich mit uns! Nachdem er uns die Verträge übergeben hatte (Arbeitssicherheit und das Wohlergehen, der Erntearbeiter war ein großer Punkt im Vertrag... und da stand doch nicht tatsächlich, dass der Arbeitnehmer Spaß bei der Arbeit und einen guten Humor haben sollte?! Dieser ganze Vertrag strahlte geradezu vor Herzlichkeit...), führte er uns etwas rum: Weinerie, Shop und Pausenküche zeigte er uns. Bei unserer Ankunftszeit schenkte er uns in der Arbeitsliste glatt mal eine halbe Stunde, obwohl wir bis hierher noch keinen Finger gekrümmt hatten. Dann folgten wir seinem Auto durch Martinborough (gefühlt war er ein bunter Hund und überall lächelten und winkten ihm die Menschen zu) zum aktuell zu erntendem Weinfeld. Hier trafen wir zum ersten Mal auf die ca. 30 Personen große Crew. Und wieder wurden wir von soviel Freundlichkeit überrascht... Anscheinend hatten wir innerhalb von 3 Tagen vergessen, wie es sich anfühlte, plötzlich als Mensch wahrgenommen und geschätzt zu werden! Huia, unsere Supervisorin führte uns rum und stellte uns fast jedem vor, an dem wir vorbeikamen. Sie zeigte uns auch, wie wir die Trauben ernten sollten. Letztendlich war da nicht viel dabei: die reifen Reben wurden einfach mit einer sehr scharfen Schere komplett abgeschnitten und in einen Eimer getan. Wenn der Eimer voll war, ließ man ihn an der Seite stehen, wo wenig später ein Traktor durchfuhr und die Eimer schließlich in einen großen blauen Container geleert wurden. Konzentriert machten wir uns an die Arbeit. Um uns rum quatschten unsere Kollegen. Es war Gelächter in der Luft. Die gesamte Atmosphäre war locker... Gerry hatte uns vorher darauf hingewiesen, dass wir hier nicht unter Contract arbeiten mussten... Er fand, das sei die einzig faire Bezahlung... und das erhielt auch diese einzigartige Atmosphäre. Keine Missgunst, keine unsaubere Arbeit, damit man schneller sein konnte, kein Konkurrenzkampf, kein Druck. Bisher hatte jeder Weingut die Ernter nach geschaffter Reihe bezahlt... Hier war das wichtigste, dass man gute Beeren pflückte und sich wohl fühlte. Dass es so was noch gab.
Mit der Zeit lernten wir, worauf wir noch achten mussten, außer uns mit den messerscharfen Scheren nicht zu schneiden (Laura und Michelle waren jeden Tag mit neuen Schnittverletzungen nach Hause gekommen): Unreife Trauben waren leicht zu erkennen... Aber auch Schimmlige würden den Wein nicht besser machen. Häufig schimmelten die Trauben innerhalb ihres Bündels. Die galt es natürlich möglichst zu entfernen. Und ein schwarzer Stock war ein Hinweis auf einen Befall der Trauben mit Schimmel. Es dauerte auch nicht lange und wir waren in verschiedenste Gespräche mit den Locals verwickelt! Alle waren neugierig und wollten wissen, was wir schon gesehen hatten, was unsere nächsten Pläne waren, wo wir herkamen... Elma gefiel das RSH Shirt, Mark gab uns Tipps für die Arbeit, Jack fragte fast jeden Tag die selben Fragen ohne zu merken, dass man ihm eigentlich das selbe schon am Vortag erzählt hatte, Naas erzählte ununterbrochen von Essen und ihren Kochkünsten und Esther hatte uns gleich am ersten Tag zu sich nach Hause auf eine Party eingeladen!
Und dann noch Folgendes: Es gab sie wieder... die bezahlten Smoko-Pausen! Zweimal 15 Minuten. Als ob das noch nicht großartig genug gewesen wäre: Wir saßen gemeinsam im Kreis in der Sonne, als Gerrys Schwester mit selbstgebackenem Kuchen, Kaffee und kalten Getränken vorbeikam. (Wir durften feststellen, dass das keine Ausnahme war, sondern die Regel zu den Smokos).
Unser erster Arbeitstag mit stolzen 7 Stunden trotz spätem Beginn verging wie im Fluge! Und die guten Eindrücke rissen immer noch nicht ab. Heute morgen hatte Kai Gerry noch gefragt, ob er wüsste, wo wir hier in der Nähe mit unserem Auto wohnen könnten... und Gerry war in der Zwischenzeit fleißig gewesen und hatte noch eine Überraschung für uns. Freunde von ihm, würden uns für die nächsten Wochen aufnehmen können. Wir freuten uns riesig und Gerry ließ es sich nicht nehmen, uns gleich nach Feierabend einander vorzustellen. So fuhren wir ihm abermals hinterher. Nach 5 Minuten Fahrt vom Weingut ging es auf unbefestigte Straße, durch eine Kuhweide hindurch und nach einer kleinen Strecke Gravelroad standen wir vor dem Haus von Mike und Carolyne. Mike war noch auf Arbeit und so trafen wir heute nur Carolyne an, eine wirklich liebenswerte Frau Ende 50. Wir waren uns sofort sympathisch. Gerry quatschte fröhlich drauf los, stellte uns vor und es fühlte sich so an, als ob wir uns schon länger kennen würden. Als er uns schließlich verließ, gab es natürlich für jeden von uns nochmal eine Umarmung! Carolyne führte uns zum kleineren Nebenhaus... „Hier könntet ihr wohnen, wenn ihr wollt. Es ist zur Zeit nicht sehr ordentlich... ich bin nicht nochmal zum Aufräumen gekommen... Gerry hat vorhin erst angerufen.“ Wir sahen in den kleinen Bungalow und kriegten den Mund nicht mehr zu... Es sah perfekt aus mit kleiner Küchenzeile, Toilette und eigener Dusche! „Ihr müsst natürlich nicht immer ganz alleine hier bleiben, ihr seid jederzeit herzlich eingeladen, zu uns rüber zu kommen auf gemeinsame Abende! Und natürlich könnt ihr bei uns in der großen Küche kochen. Natürlich nur, wenn ihr hier bleiben möchtet.“ Sie war so lieb. Natürlich wollten wir hierbleiben! Obwohl wir noch gar nicht wussten, was es uns kosten würde, sagten wir schon zu. Nach unserem Bauchgefühl stimmte einfach alles! Vor allem nachdem wir noch den Rest unserer zukünftigen Mitbewohner (bis auf Mike) kennen gelernt hatten: Billy, eine alte Westi-Hundedame und den aufgeweckten, wunderschönen Kater Tidders! Wir waren hin und weg! Carolyne berichtete uns, dass hier noch zwei Streunerkatzen unten bei den Hühnern lebten. Sie wollte uns sofort auch Bettwäsche bringen. Wir eröffneten ihr schnell, dass wir nochmal zurück nach Masterton mussten, da unser Zelt und einige unserer Sachen noch da waren. Sie lachte, als sie von unserem Lagerzelt erfuhr! So konnten wir also erst morgen einziehen. Wir tauschten die Nummern aus. Sie und Mike würden morgen Abend nicht da sein, aber wir sollten uns einfach hier überall wie Zuhause fühlen! Das Haus ist immer auf! :)
Das konnte es doch gar nicht geben. Alles, was sie als Gegenleistung leise ansprach, war vielleicht ein kleiner Betrag Geld und vielleicht etwas Gartenarbeit unsererseits. Noch völlig geflasht und überladen mit all den positiven Erfahrungen an diesem Tag fuhren wir zurück nach Masterton. Wie konnte sich das Leben in so kurzer Zeit so grundlegend ändern?! Wir waren sprichwörtlich von der Hölle in den Himmel gekommen! Es hätte einfach nichts besser sein können. Die Anderen hörten sich staunend alles an und freuten sich mit uns, auch wenn uns damit erneut Abschiede bevorstanden. Aber von Martinborough nach Masterton ist es ja keine Entfernung!
Heute morgen (11.04.2017) mussten wir noch ein wenig eher aufstehen. Gestern war es einfach schon zu spät (und zu dunkel) um das Zelt und alle Sachen zusammenzupacken. Da blieb uns nichts anderes übrig, als das vor der Arbeit zu erledigen. Wir fanden gerade noch genug Zeit, uns von Patrick und Rebecca zu verabschieden, die kurz bevor wir los mussten, aufstanden. Man würde sich mit Sicherheit wiedersehen und in Kontakt bleiben. Immerhin waren das die letzten zwei Verbündeten in der „Arbeitsfalle Dot“... Sie sollten weiter die Ohren spitzen und eventuell Fotos für uns machen!
Vor uns lag wieder ein langer Arbeitstag (das Wetter musste genutzt werden... Tatsächlich stand der nächste Zyklon bevor), der sich aber wie gestern einfach gut anfühlte! Wir waren gut in der Crew angekommen. Kais Aufgaben änderten sich etwas: Während ich weiter mit Schere bewaffnet mit der Weinlese beschäftigt war, übernahm er die Aufgaben, die Reihen für die Erntearbeit vorzubereiten... Das hieß: Netze öffnen (die gute alte Netboy-Zeit bei John Heath lässt grüßen ;)), Eimer bereitstellen, volle Eimer einsammeln... Eine Arbeit die mit viel Heben und Laufen zu tun hat! Dabei plagte ihn noch der Muskelkater vom Tunnelaufbau bei Dot. Nach der Arbeit lobte Gerry uns alle! Offensichtlich war er sehr zufrieden und so saßen wir nach Feierabend noch bei gesponserten Bier und Sandwiches beisammen!
So kamen wir zwar etwas später erst in unserem neuen Zuhause an, aber da ja eh niemand da war, machte es keinen Unterschied ob wir nun früh am Abend oder später einzogen. Nur Tidders kam uns aufgeregt mit einer Maus im Maul entgegen. Er genoss die Streicheleinheiten und wir waren gleich gute Freunde! In Zukunft würden wir wohl öfter unser Bett mit ihm teilen müssen. Und nicht nur mit ihm... auch Billy schien unsere Anwesenheit sehr zu genießen ;) Allerdings mussten wir in den nächsten Wochen feststellen, dass sie keinen leisen Schlaf hatte... die ganze Nacht schmatzte sie vor sich hin... damit hatte sie das Ticket, in unserem Bett schlafen zu dürfen, leider verloren und wurde häufig des Nächtens von mir zurück ins Haupthaus zu Mike und Carolyne gebracht.
An diesem Abend hatten Laura und Michelle noch eine überraschende Nachricht für uns... Die beiden waren wieder arbeitslos. Sie hatten in den vergangenen Tagen so viel gepflückt, dass es keine Arbeit mehr für sie auf dem Weingut gab. Anscheinend hatten Katy und Co. so viele Erntearbeiter wie möglich eingestellt, um die Früchte vor dem nächsten großen Regen ins Trockene zu kriegen. Da interessierte es nicht mehr, dass sie uns damals gesagt hatten, dass wir für mindestens 5 Wochen zusagen müssten und man ja irgendwie auch damit plant. Wir staunten nicht schlecht... Sie hatten jetzt zwar etwas Geld verdient, waren jetzt aber wieder in der Situation, in der sie nach einem Job suchten. Tatsächlich hatten sich damit unsere beiden ursprünglichen Jobzusagen als Nieten herausgestellt. Und wir waren gewarnt, da auch wir in Martinborough auf einem Weingut angestellt waren. Es konnte eventuell genauso schnell vorbei sein. Wir hofften aber, dass wir an diesem schönen Ort noch ein paar Wochen verbringen durften!
Über Nacht hat uns Zyklon Cook erreicht und schon in der Nacht stürmte und regnete es heftig. Wir waren so unsagbar froh, im Trockenen gelandet zu sein und hatten eine gemütlich warme erste Nacht. Kurz nach 7 Uhr bekamen wir eine Sms von Gerry. Wir rechneten fest mit einer Arbeitsabsage, aber das Gegenteil war der Fall: „Eine Regenjacke kann sich heute auszahlen!“ Das hieß dann wohl Arbeit. Sehr gut! Schon nach kürzester Zeit waren wir komplett durchnässt! Die neuen Hikingschuhe, die am Anfang noch gut das Wasser abgewiesen hatten, sogen sich bald voll und wurden schwerer und schwerer! Einzig meine Regenhose trotzte dem Wetter. Es wurde auch recht schnell kühl in den nassen Sachen und manch Gesichtsausdruck verriet mürrisch, was von dem Wetter gehalten wurde. Aber die meisten quatschten und lachten wie eh und je! Kaum eine Beschwerde gab es zur Smoko, als es wie immer Snacks und diesmal heiße Getränke zum Aufwärmen gab. Die Trauben müssen eben ab... es gab schon genug Schimmlige unter ihnen... der Garten musste erledigt werden. Jeden Tag ging es in andere Weingärten... Anscheinend stellen hier viele Grundstücksbesitzer ihr Grundstück und ihre Trauben Ata Rangi zur Verfügung. Das war auch der Grund, warum es für uns länger mehr Arbeit gab, als für die umliegenden kleinen Weingüter. Als das Arbeitsziel gegen 12:00 Uhr erreicht war, wurden wir alle ohne langes Federlesen nach Hause geschickt! Jeder sollte ins Warme kommen und außerdem sollte doch Esthers Party heute noch stattfinden!
Nach einer laaaangen, heißen Dusche, einem ausgedehnten Mittagsschlaf (wir haben unsere elektrische Heizdecke entdeckt!!! Und damit meine ich nicht den Kater :)) und einem frühen Abendbrot, lernten wir dann auch endlich Mike kennen! Er arbeitet auf der Dairy Farm seines Schwiegersohnes und ist genau wie Carolyne einfach ein herzlicher Mensch! Mit den beiden musste man einfach gut auskommen. Beide hatten beschlossen, dass sie doch keine Miete von uns haben wollen. Sie sahen besorgt auf die Wettervorhersage der nächsten Tage und hatten Sorge, dass wir nicht genug Geld verdienen würden. Uns war das schon fast etwas unangenehm und wir fragten noch gut 10 mal nach, ob sie sich da ganz sicher seien. Aber sie ließen sich nicht beirren und wir konnten uns nur für ihre Gastfreundschaft bedanken! Für uns war damit klar, dass wir somit nur noch mehr im Garten mit anpacken würden, um wenigstens eine Kleinigkeit zurück zu geben. Wir verquatschten uns ganz ordentlich im Laufe des Abends... Mike googelte sofort unsere Heimatorte (Halle, Krumpa und etwas länger blieb er dann bei Potsdam hängen... es gab aber auch zu viele schöne Bilder von Park Sanssouci, der Havel und dem Umland :)). Reisen, Erlebtes, unsere Berufe, die deutsche Geschichte, die Flüchtlingspolitik... er war gut informiert, aufgeschlossen und wollte alles wissen. Carolyne bremste ihn irgendwann gegen 21:00 Uhr und scheuchte uns mehr oder weniger aus dem Wohnzimmer! Sie hatte einfach Angst, dass wir zu spät zu Esthers Party kommen würden. Nicht ohne uns zu sagen, dass wir aufpassen sollten, da Sturm Cook bis übermorgen wüten sollte und die Regierung allerhand Warnungen in Neuseeland herausgegeben hatte.
Es war bereits 21:30 Uhr als wir das Haus von Esther erreichten... im Dunkeln war es gar nicht so einfach, den Eingang zur richtigen Gravelroad und dem etwas abgelegenen Haus zu finden. Das Haus gehörte ihren Eltern und wurde normalerweise vermietet... Heute war es ein Partyhaus... und was für eins! Offensichtlich hatten Esthers Eltern Geld... der Garten erinnerte schon an einen Palast und das Haus, sowie Bad waren einfach prunkvoll und riesig! Als wir ankamen, hörten wir schon von Weiten ein ziemlich schiefes „Happy Birthday“ Lied. Anlass war Dannys Geburtstag... Wir wurden sofort im Dunkeln ausfindig gemacht und Danny und Esther kamen auf uns zu gerannt! Auch Elma schloss uns gleich in die Arme! Aufgeregt führten sie uns nach diesem herzliche Empfang ins Bad... auf dem Weg hatte ich mich fast noch dreimal festgequatscht... jedes Mal sofort losgerissen von einer wie ein Kind aufgeregten Esther! Wir müssten unbedingt das Bad sehen! Vorher würde hier nichts laufen! Vor der Badtür wurde noch ein kleines Geheimnis draus gemacht und Tadaaaa: Die komplette Wanne war mit Eis gefüllt und darin tummelten sich bis zum Rand voll Flaschen mit den verschiedensten alkoholischen Getränken: Cider und Bier in der Überzahl. Nur da es auch viele Ata Rangi Weine gab, brachte irgendwie jeder Bier mit, ohne dass irgendwer Bier trank! :) Kai durchforstete die Auswahl und Esther war am Ende sehr zufrieden! Es war ein lustiger Abend und wir stellten fest: 21:30 Uhr ist definitiv in Neuseeland zu spät, um auf einer Party aufzutauchen. Die ersten gingen bereits nach unserer Ankunft... die anderen konnten nicht mehr gehen und blieben die Nacht über eh hier. Sie waren schon ordentlich gut dabei! Aus den höflichen Neuseeländern, die sonst immer wohl erzogen ihre Worte wählen, wurden sehr ehrliche betrunkene Neuseeländer mit einem... naja nicht ganz so feinen Ausdruck... die „bloodys“ und „fucks“ konnten wir gar nicht zählen. Wir beobachteten das bunte Treiben amüsiert und hatten einen witzigen Abend. Hier lernten wir auch die anderen 4 Backpacker etwas besser kennen (1 französisches Pärchen und zwei Deutsche). Gegen 1:30 Uhr verabschiedeten wir uns und machten uns gut gelaunt zurück auf den Heimweg. Was für ein gelungener Abend! Und das Gute war: Morgen hatten Gerry allen frei gegeben! Zum Einen wusste er von Esthers Party, zum Anderen schwebten weiterhin die Warnungen zum Sturmtief Cook über Neuseeland!
Es war ein perfekter fauler Tag, mit dem Wissen, das diesem ein zweiter freier Tag folgen würde! Ostern stand vor der Tür und nach dem Donnerstag stand Karfreitag vor der Tür. Tief Cook hielt sich in unserer Region auch angenehm zurück... es regnete nur zweimal sehr heftig. Weiter nördlich und am Waikato River war es besonders schlimm und wieder gab es zahlreiche Überschwemmungen. Aber insgesamt wurde mehr erwartet und Neuseeland atmete auf, dass es sich in Grenzen hielt! Wir atmeten abends auch etwas auf: So stand unserer geplanten Fahrt nach Masterton nichts im Wege! Wir waren abends mit den anderen verabredet. Gegen 16 Uhr kamen wir auf unserem alten Campingplatz an und wurden schon von Michelle, Laura, Rebecca und Patrick erwartet! Jelena und Rodney hatten kein Problem mit unserem Besuch und ließen uns ohne Kommentar länger bleiben, als Besucher eigentlich erlaubt sind. Wir quatschten und lachten, saßen bei Pizza zusammen und fühlten uns einfach nur wohl! Erst gegen 0:00 Uhr ging es für uns zurück. Aber nicht ohne alle für morgen, Karfreitag zu uns einzuladen! :)
Wir schliefen bis 09:30 Uhr... und trafen ganz knapp Carolyne und Mike noch an. Um die Osterzeit waren sie viel unterwegs. Das war ein perfekter Zeitpunkt nach Arbeit zu fragen... jetzt waren wir doch schon ein paar Tage hier. Carolyne führte uns zum Hühnerstall... hier lagen vor einem leeren Holzschuppen zwei große gehackte Holzberge. Dieses Holz galt es in den Schuppen zu stapeln. Sie hatte ursprünglich gehofft, es könnte noch trocknen vorm Stapeln... aber diese Hoffnung gab sie nun auf! Wir machten in unserem kleinen Häuschen klar Schiff für unseren Besuch heute Nachmittag und begannen schonmal ein wenig zu stapeln. Diesmal ließen wir uns von unseren lieben Gastgebern nicht bequatschen, die uns nicht an einem Feiertag arbeiten sehen wollten. Wir aber bestanden darauf... es machte ja sogar etwas Spaß! Und wenn nicht heute, am Wochenende oder am Feiertag, wann denn dann? :) Am Nachmittag hatten wir wieder sturmfrei... und unser Besuch traf ein! Für Mike und Carolyne war es überhaupt kein Problem, dass wir in ihrer Abwesenheit Besuch hatten. Wir ließen den Karfreitag bei heißer Schokolade, Keksen und einem Kartenspiel ausklingen. Die Mädels waren begeistert von den 3 großen Farmhunden (ein Alter, der schon ausgedient hatte und zwei junge Wilde) und tollten mit ihnen ein wenig herum... Aber auch sie waren überfordert, wenn plötzlich alle 3 großen Hunde auf einmal um sie herumsprangen und sie fast umwarfen! Patrick schloss da schneller mit der kleinen Billy Freundschaft und genoss ihre ruhige, geduldige Art. :) Die Hundekekse, die wir gestern noch gekauft hatten, wurden von den Mädels liebendgerne gerecht verteilt! Beim Kartenspiel schmuste uns allen dann Tidders um die Beine und bekam natürlich auch noch seine Leckerlis! Am Ende waren alle glücklich und zufrieden! Leider war dies unser letzter gemeinsamer Tag... Michelle und Laura würden ab morgen weiter auf eine Kiwifarm ziehen und auch für Rebecca und Patrick stand die Weiterreise unmittelbar bevor! Darüber waren sie natürlich nicht traurig... Sie konnten damit auch endlich das Kapitel Berryfarm abschließen! Für uns alle war allerdings auch klar: Diese Farm hat uns irgendwie alle auch zusammengeschweißt und für sooo viel Gesprächsstoff gesorgt... Im Nachhinein hat man einfach auch viel zu erzählen! Wir umarmten uns alle zum Abschied, wieder mit dem Versprechen in Kontakt zu bleiben! :) Alleine deshalb ist diese Reise eine riesige Bereicherung: Die vielen lieben Bekanntschaften... Wir sind sehr dankbar, für jeden, der auf diesem Weg in unser Leben getreten ist und mit dem wir die verschiedensten Erfahrungen und einen kleinen Teil unserer Reise teilen konnten! :)
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