Wee Red Barn Berryfarm – Wie lange halten wir DAS aus?!

 Wieder ging es früh raus... unser erster Arbeitstag stand an (diesmal wirklich ;)). Wir hatten gut geschlafen auf Jelenas und Rodneys Campingplatz und konnten ausgeruht in den erneut regnerischen Arbeitstag starten. Punkt 8 Uhr standen alle Backpacker auf der Matte (und das waren auch alle, die auf der Beerenfarm arbeiteten... hier gab es keine Locals...). Feldmarschall Dot patroullierte wie gestern und beobachtete die Handlungen sehr genau, bevor sie uns beiseite nahm und uns einwies. Dabei war sie fast höflich (was alle anderen als für sie ausgesprochen freundlich bezeichneten... aha na dann). Wir sollten uns einen Trolley schnappen und ihr hinterherfahren... dann sauste sie davon. Kai hatte gleich mal Glück und geriet an einen Kaputten (er sollte ihn austauschen und hatte nun einen, der einen Platten hatte... hm... eine Verbesserung?!). Wir beeilten uns, den anderen hinterher zu kommen. Auf den Wagen (die teilweise gerade so in die Reihen der Erdbeertische passen... manchmal nur mit an jeder Kante anecken... das war nervig) wurden Kisten aufgeladen und darauf kleine Pflückschälchen, in die die Beeren hinein gepflückt werden sollten. Die Beeren wuchsen auf Tischen, so dass wir uns zumindest nicht in die Beete ducken mussten. Hier in den Tunneln war es zudem einigermaßen trocken. Man konnte Pech haben und eine Außenreihe der Tunnel erwischt haben... wenn die Folie hier durchhing und man geriet mit dem Wagen an die Folie ergoss sich manchmal das gesammelte Regenwasser über einen! Hierher hatten sich auch die vielen Bienen vor dem Regen gerettet. Sofort bekamen wir mit, wie wichtig es war, dass die Beeren kein Wasser abbekamen (Dot stauchte gerade einen der anderen zusammen, der die Pflückschälchen durch den Regen getragen hatte). Dann setzte sie ihre Unterweisung fort.

Erdbeeren pflückt man und zieht man nicht... sie würde ganz genau sehen, wenn wir sie abzogen, da dann der Stiel der Erdbeere länger als ein Daumenbreit sein würde. Tatsächlich war das gar nicht sooo einfach und erforderte etwas Übung und den richtigen Dreh im Handgelenk. Und dann hieß es natürlich wieder: Ausreichend reife Beeren von den Noch-zu-unreifen zu trennen. Leider sollten wir auch die Schimmligen Beeren entfernen... Das hat sicher Sinn, hätte man aber schon deutlich eher machen sollen. Manche schimmelten so vor sich hin, dass sie nur noch ein Brei waren und einfach zerfielen. Es folgten Kontrollgänge hinter uns, wo sie uns darauf hinwies, was wir alles vergessen hatten. Kein Wunder: Es war nicht ganz übersichtlich und man konnte nie alles sehen. Aber sie blieb ruhig dabei und höflich. Also kein Grund zur Beunruhigung.

Nach dem halben Tag Erdbeeren schickte sie uns in die Tomaten und Paprika. Der gesamte Tunnel oder „Garten“ war einfach nur verwildert und verwahrlost. Es roch nach schimmligen Tomaten und überall lagen und hingen auch überreife Tomaten. Die Wege zwischen den Pflanzen waren quasi nicht mehr vorhanden und man kämpfte sich durch einen dichten Busch an zum Teil verrotteten Pflanzen. Plötzlich wackelte es vor mir im Busch... „Oh Kai, wie schön, du bist wohl auch da?“ „Ja schon die ganze Zeit, seit wann bist du da?" Ich war vielleicht vor 20 Minuten im Tomatenurwald angekommen. Mit uns beiden sollten eigentlich auch Alex und Kevin hier sein... von Beiden keine Spur, die eben vorher noch Himbeerenpflücken geschickt worden waren. 10 Minuten später raschelte es wieder. Da waren sie. 5 Minuten später ertönte Dots aufgeregte Stimme irgendwo vom Rand des Tomatenfeldes: „Ihr seid immer noch hier?! Ich weiß nicht, wie das so lange dauern kann hier! Vor allem, wenn ihr zu viert seid!“ Das war nicht sehr freundlich, aber auch nicht direkt an uns gerichtet... Ich zuckte nur die Schultern und wunderte mich, ob sie nicht wusste, dass wir gerade mal 5 Minuten hier drinnen zu viert waren. Aber letztendlich ging es mir durchs eine Ohr rein und durchs andere wieder raus. Das war vermutlich bezeichnend. Die Männer zog sie aus den Tomaten ab und schickte sie in die Paprika. Später konnte ich sogar auch noch eine Paprika ernten... dann war es 16:35 Uhr und der Spuk war vorbei. Patrick (einer unserer „Kollegen“) wartete schon im Auto... Er wurde heute grundlos nach der Mittagspause „nach Hause“ geschickt. Wir erfuhren, dass sie ihn am Wenigsten leiden konnte und ihn nur nicht feuerte, da sie etwas mehr von Rebecca hielt (seine Reisebegleiterin). Einzelne Männer würden per se nicht eingestellt und waren nur als Anhang geduldet. Mit nassen Schuhen und nassen Regenjacken ging es zurück zum Campingplatz... allerdings nicht ohne, dass Kai Dot auf das volle Klo hinwies. Es war irgendwie klar, dass sie es nicht umsonst gestern so betont hatte... Das Dixi Klo war einfach kurz vorm Überlaufen... Touchdown nicht nur möglich, sondern sehr wahrscheinlich... Unglaublich und eigentlich ein unhaltbarer Zustand! 

Ich hatte im Laufe des Tages eine Sms bekommen: Da morgen der erste regenfreie Tag sein sollte (Zyklon Debbie hatten wir überstanden), sollte nun auch die Arbeit auf dem Vineyard morgen starten. Wir mussten uns also entscheiden... So richtig wohl fühlten wir uns auf der Beerenfarm nicht... aber es gab einiges zu bedenken: Hier hatten wir einen prima Campingplatz ganz in der Nähe zur Arbeit und die Möglichkeit bei Paknsafe günstig einkaufen zu gehen. Beides war in Martinborough nicht vorhanden. Nur ein teurer 4Square und ein überteuerter Campingplatz, ganz davon abgesehen, dass unser Arbeitsweg sich dann trotzdem noch verlängern würde. Wir hätten also deutlich höhere Ausgaben bei dem selben Lohn (Mindestlohn). Weiterhin stand laut Wettervorhersage der nächste Zyklon schon in den Startlöchern... und würde auf dem Weinberg wieder etliche Tage frei bedeuten... Durch die Tunnel hätten wir die Möglichkeit auf der Beerenfarm ein relativ verlässliches Einkommen zu haben. Und letztendlich wären es ja nur knapp 4-5 Wochen... Die Zeit würden wir schon irgendwie überstehen! Wenn es ganz schlimm wird, können wir immer noch gehen. Damit war die Entscheidung getroffen... die Vorteile überwogen einfach eindeutig. Augen zu, sich ein bisschen Zusammenreißen und durch!

Im Essensraum angekommen, war kaum jemand da. Nur Jelena spielte mit zwei Mädels ein Spiel, was mir sehr bekannt vorkam: Skippo! :) Als sie merkten, dass ich das Spiel kannte, wurde ich sofort von den beiden zu einem weiteren Spiel aufgefordert. Das konnte ich mir natürlich nicht entgehen lassen … und so lernten wir Michelle und Laura kennen! Wir kamen ins Gespräch... rein zufällig suchten die zwei (schon ziemlich verzweifelt, da sie pleite waren) einen Job... Nachdem wir uns kurz mit Katy vom Vineyard besprochen hatten, war klar, dass hier eine Win-Win-Situation für jeden vorlag! Wir hatten zwei Arbeitsverträge und dem Weinberg fehlten durch unsere Absage zwei Arbeiter... Wir übergaben den zwei verdutzten Mädels unsere Verträge, sagten ihnen wann sie morgen wo sein müssten und fühlten uns trotz Absage gleich viel besser! :)

Michelle und Laura waren wie die meisten nach dem Abi nach Neuseeland aufgebrochen. Beide hatten eine extrem positive Ausstrahlung, waren witzig, hatten sich das innere Kind bewahrt, waren etwas verplant (wie schafft man es sonst, so völlig pleite auf einem Campingplatz zu stranden und trotzdem überall durchzukommen?) und waren gnadenlos ehrlich! Wir verstanden uns auf Anhieb und konnten viel gemeinsam lachen! Die zwei waren schon vor ungefähr drei Monaten hier bei Jelena zu Gast, als sie damals noch für Dot gearbeitet hatten. Auch hier erfuhren wir nichts Positives! Auch sie waren Opfer ihrer Schreiausbrüche geworden, mussten vor ihr kuschen und das Klo war schon damals voll! Während der Arbeit Trinken war damals noch verboten... und wir erfuhren, dass sie allerhand in ihrem Shop als „Eigenernte“ verkauft, was eigentlich ganz woanders herkommt. Blaubeeren waren da noch verkraftbar... die kamen immerhin aus Neuseeland... aber bei Kiwis aus Italien wars dann echt nicht mehr lustig! Michelle und Laura hatten sich so manchen Abend bei Jelena ausheulen müssen nach der Arbeit und waren so einander näher gekommen. Sie war die gute Seele des Zeltplatzes, die sie nun erneut gerettet hatte, indem sie sie kostenlos hier übernachten ließ, bis ihr Geld zur Weiterreise reichen würde.

Bereits am zweiten Tag fassten wir einen neuen Entschluss... Wir bleiben..., aber wenn wir schließlich gehen, dann nicht leise. Wir sammeln Informationen und machen uns schlau, wo man sie melden kann! Natürlich würde das kein leichtes Unterfangen werden... wir waren Touristen hier... und kannten die wichtigen Anlaufstellen für unsere gesammelten Probleme nicht. Aber wir hatten Freunde und Kontakte! So wie diese Frau mit ihren Arbeitern umging... so sollte es einfach nicht weitergehen und da wollten wir auch keine Mühen scheuen!!! Einmal sollten sie und ihr Mann nicht damit durchkommen... nur einmal sollten sie an die Falschen „Backpacker“ geraten sein! Sie nutzten unerfahrene, junge Backpacker aus, die in der Regel gerade mal die Schule abgeschlossen hatten, sich nicht trauen zu widersprechen und die sich wirklich aufs Böseste anschreien lassen. Hin und wieder hatte Kai es schon darauf angelegt... Bisher hat sie sich uns gegenüber allerdings nicht herzlich, sondern harsch und befehlend... aber auch nicht völlig respektlos verhalten. Ebenfalls am zweiten Tag mussten wir lernen, dass wir uns nicht in Gegenwart von Kunden zeigen dürfen... Der Vordereingang des Shops ist tabu! Unser Pausenplatz ist schön abseits und versteckt in einem Busch... Hier musste eine Änderung her... für alle zukünftigen Backpacker, die aus Geldnot das Gefühl haben, keine zweite Wahl zu haben! Wir schrieben Kate, Jay und John und hofften auf baldige Antwort.

Neben der Arbeit lernten wir auch Patrick und Rebecca immer besser kennen... Unsere Abende verbrachten wir immer zu viert im TV-Raum des Zeltplatzes! Wir ließen den gemeinsamen Arbeitstag Revue passieren, regten uns zusammen auf und genossen anschließend den Feierabend! Die zwei hatten beide eine Ausbildung hinter sich und waren auch sehr unzufrieden. Auch sie hatten die schlechten Kommentare vorher gelesen und hatten sich aber für 3 Wochen eben doch darauf eingelassen. Sie waren in ihrer letzten Woche. Beide erklärten sich sofort dazu bereit, unsere Aussagen im Falle eines Falles auch vor einer Behörde zu bezeugen. Gerade Patrick hatte schon des Öfteren unter Dots Tiraden leiden müssen. Allerdings war er ein eher ruhiger und entspannter Typ... der die ganze Aufregung an sich vorbeiziehen ließ.

Manchmal gesellten sich auch Michelle und Laura zu uns, die nun jeden Tag zwischen Martinborough und Masterton pendelten. Da sie dank Jelenas großen Herzen hier vorerst umsonst wohnen konnten, gaben sie diese Basis nicht auf (noch weniger, nachdem sie uns, Rebecca und Patrick kennengelernt hatten). Sie berichteten uns, wie anstrengend die Arbeit auf dem Vineyard war... anstrengend, aber gut. Natürlich mussten sie extrem früh raus, so dass unsere gemeinsamen Abende immer kürzer wurden.

Am Sonntag, den 09.04.2017 ließen wir uns weiter rumschubsen. Wie schön war der gestrige freie Tag. Angeblich sollten morgen zwei Neue kommen... Man hatte sicher ein ruhigeres Leben, wenn man nicht mehr „die Neuen“ war... aber gleichzeitig hoffte ich für die „Neuen“, dass sie ebenfalls die schlechten Kommentare gelesen hätten und klug genug waren, sich woanders nach einem Job um zu gucken! So war es auch. Heute wurden Kai und Kevin von uns anderen Pflückern getrennt... Sie sollten an einer anderen Ecke der Farm, diese Tunnel aufbauen. Natürlich ohne Helm! Das konnte doch wirklich nicht sein, dass Arbeitssicherheit so wenig für Dot und Allan bedeutete! Nicht nur einmal fielen die schweren Metallstangen um... die Stangen mussten über Kopf gehoben werden und als Dot zum Kontrollieren kam, wies sie Kai und Kevin darauf hin, dass die eingehängten Metallhaken gefälligst da bleiben sollten, wo sie eingehängt waren. Nachdem einer der Haken Kai vor die Zähne gehauen hatte beim Anheben, hatten die zwei die Haken vorübergehend entfernt, um sie anschließend wieder einzuhaken. Noch hatten diese Haken keinerlei Funktion... Die würden sie erst bekommen, wenn die Folie dazukam. Dot lachte gehässig... Das musste noch keiner vor euch so machen... das wird so nicht gemacht! Kai entgegnete: „Gut, wenn du mir meine Zahnarztrechnung zahlst...“ Das wiederum entlockte ihr auch nur ein fieses Lachen... „Wie gut, dass in meinem Vertrag steht, dass für gesundheitliche Schäden, der Arbeiter selbst aufkommt“ Damit war das Thema für sie abgeschlossen. Obwohl Kevin und Kai ganze Arbeit mit den Tunneln geleistet hatten und ordentlich voran gekommen waren, gab es nichts als die Anweisung die dämlichen Haken hängen zu lassen... dabei hingen sie doch... sie waren nur kurz mal draußen und hingen nach dem Aufstellen wie vorher... Kai war ordentlich wütend als wir heute nach Hause fuhren... zu Recht.

Wie gut, dass es bei uns in die nächste Runde ging: Mittlerweile hatten wir alle nötigen Kontaktdaten beisammen. John und Kate hatten uns nicht hängen gelassen und vor allem Kate hatte sich ordentlich ins Zeug gelegt und uns allerhand nützliche Informationen via Email zukommen lassen! Neben der Email Adresse von Worksafe und dem Tipp sich hinsichtlich der Hygiene (Klo und keine Handschuhe im Packhouse) zu beschweren, ging es sogar soweit, dass sie uns vorschlug, unsere Geschichte durch Zeitung oder Fernsehshow publik zu machen. Aber uns ging es ja in erster Linie nicht um schlechte Publicity oder Rache... wir wollten, dass sich die Zustände dort ins Positive für die Arbeiter ändern sollten. Der offizielle Amtsweg schien uns da das Beste zu sein. Mit einem „Good luck“ von John und einem „Go for it and be strong!!!“ von Kate fühlten wir uns schon deutlich besser!

Und es wurde noch besser, als wir schließlich erfuhren, dass wir morgen erst eine Stunde später auf Arbeit müssen, da Dot irgendwen vom Flughafen abholen müsste. Es war also schon so weit gekommen, dass wir lieber kürzer arbeiten gingen und das Geldverdienen nicht mehr so wichtig war... und das nach nur 3 Tagen Arbeit... So langsam sollte uns das dann doch nachdenklich machen...