Ankunft auf der Nordinsel und der Weg in einen neuen Job

Wildkaninchen beim Frühstück
Wildkaninchen beim Frühstück

 

Unsere innere Uhr weckte uns am 03.04.2017 bereits um 7 Uhr (wie das nach Zeitumstellungen immer so ist;)). Mit Schrecken dachten wir an die Fährüberfahrt als wir noch ein Weilchen in unserem Bett lagen: Heute Nacht hatte es gestürmt und wie aus Eimern geschüttet! Übrig geblieben von dem nächtlichen Unwetter waren die Sturmböen, die es tatsächlich schafften, unser Auto aufzuschaukeln! Es hatte keinen Sinn hier den Gaskocher auszupacken... Da hieß es dann wohl für uns: Frühstück auf später verschieben! Aber abwaschen mussten wir noch hier. Neben uns mümmelten derweil drei Kaninchen friedlich ihr Gras und auch Pukekus leisteten uns Gesellschaft.

 

In Picton selbst mussten wir uns dann in eine laaaange Auto-Schlange anstellen, die auf die Fähre führte. Wie gut, dass es hier einen kleinen Wagen gab, der heiße Schokolade und Kaffee verkaufte... kühl war es geworden und es war perfekt zum Hände wärmen! Die Frühstücksschokoladenbrötchen gab es dann im Auto dazu! Und wir schafften alles ganz gemütlich, bevor wir endlich die Fähre befahren konnten. Wir schnappten die wichtigsten Dinge und gingen zwei Decks höher in die Aufenthaltsräume! Was war das nur für ein riesen Schiff! Es hätte sogar ein Kino an Board gegeben! Wir entschieden uns aber für die Aussicht und nahmen fast ganz vorne Platz. Alles in allem waren wir überrascht, wie ruhig die 3 stündige Überfahrt war. Es gab einige Wellenberge und es ging auch hin und wieder auf und ab... aber wir hatten es uns schlimmer vorgestellt. Aber wir waren auch gut abgelenkt... Es gab freies Internet auf dem Schiff und kaum hatten wir unsere E-mails gecheckt, hatten wir plötzlich zwei Zusagen für einen Job! Ewigkeiten meldete sich keiner und dann plötzlich zwei... Jetzt hatten wir die Qual der Wahl zwischen Arbeit auf einem Weinberg oder einer weiteren Beerenfarm! Oha! Wir überlegten hin und her und lasen uns auch die geschalteten Jobanzeigen nochmal durch. Die Beerenfarm klang alles in allem eher unsympathisch...: Unpersönlich, rigide, streng. Leider fanden wir später auch sehr schlechte Bewertungen im Internet von früheren Arbeitern. Sie warnten davor, bei den „unfreundlichsten Menschen“ in Neuseeland, die „ einen die ganze Zeit nur anschreien“ zu arbeiten. Aber wollte man sich auf zwei schlechte Bewertungen verlassen? Oder sich doch lieber selbst ein Bild machen? Eigentlich war die Antwort klar... Aber unser schlechtes Bauchgefühl blieb. Wir ließen erstmal die Berryfarm unbeantwortet und sagten dem Vineyard zu. Morgen sollten wir zur Einweisung dort sein. Damit stand unser nächstes Ziel fest: Martinborough! Glücklicherweise war es nicht sehr weit von Wellington (der Hauptstadt Neuseelands und Fähranlegeort) entfernt, so dass uns heute zum Glück ein nicht mehr so weiter Weg bevorstand. Aber erst mal hieß es: runter von der Fähre und Hallo Nordinsel!

Einfahrt in den Hafen Wellingtons
Einfahrt in den Hafen Wellingtons

So herzlich fiel das Willkommen allerdings nicht aus... auch hier war es grau. Unser Zustand in Wellington lässt sich beschreiben mit: Totale Überreizung! Wir waren plötzlich in einer Großstadt... mit massig Verkehr und vielen Leuten, die durch die Gegend wuselten. Busse, Straßenbahnen... und zu allem Überfluss keine vernünftige Karte mehr. Die guten Straßenkarten von KiwiMaps vermissten wir so sehr, dass ich mich kurzerhand auf die Suche nach einem Buchladen machte. Nach dem 5.ten Laden (ohne Erfolg) wurde ich endlich fündig! Für 30 Dollar waren wir jetzt schon wieder etwas weniger verloren. ;) Was auch immer wir in Deutschland für einen furchtbaren Straßenatlas gekauft hatten (er wurde schnell unters Bett verbannt), mit dem Neuen fanden wir schnell unseren Weg aus dem verregneten Wellington heraus! Diese Stadt wollten wir uns später bei gutem Wetter in Ruhe ansehen!

 

Hinter dem nächsten Berg setzte andauernder Regen ein und auch unsere Wettervorhersagen verkündeten keine Besserung für die nächsten Tage... Na prima! Das konnte ja was werden... gerade weil wir uns wieder einen wetterabhängigen Job gesucht hatten... naja, wir gucken einfach, was kommt! Nach einem schnellen Essen (Asiaimbiss sei Dank) auf dem Weg, verkrochen wir uns ins Bett auf einem kostenlosen Stellplatz hinter dem Museum in Featherston. Es waren von hier zwar noch 30 Minuten Autofahrt nach Martinborough, aber morgen würden wir das wohl mal auf uns nehmen können! (Durch das frühe Dunkelwerden, waren wir eh wieder vieeel zu zeitig im Bett!)


 Gegen 6 Uhr klingelte unser Wecker... und es regnete immer noch... Ein gemütliches Frühstück sah anders aus. Aber es hätte auch schlimmer sein können. In Featherston gab es einen Unterstand, nahe der öffentlichen Toiletten. Wir wetzten im strömenden Regen hin und her und saßen schon bald im Auto auf dem Weg zum Vineyard. Dort angekommen bereitete uns Katy (unsere Supervisorin) einen eher kühlen Empfang. Ein kurz angebundenes Hallo (ohne vom Schreibkrams auf dem Tisch aufblickend) gefolgt von einem Aushändigen der Verträge war alles. Wenigstens freute sich ein Hund über unsere Anwesenheit. Die Verträge sollten wir nicht sofort ausfüllen, sondern einfach zu unserem ersten Arbeitstag mitbringen. Unsere Arbeit würde das Ernten sein... wir waren also zur Weinlese hier. Da es aber in Strömen regnete passierte nach einem kleinen Rundgang über das Gelände das, was wir erwartetet hatten: „Vor dem Wochenende, könnt ihr vermutlich nicht anfangen zu arbeiten, da es einfach die ganze Zeit regnen soll.“ Heute war Dienstag... hm... das war alles nicht so ideal. Da wir ab dem neunten Mai einen zweiwöchigen Urlaub in Tasmanien gebucht hatten, waren wir diesmal nicht ganz so flexibel und wollten gerade mit Hinblick auf den Urlaub noch etwas Geld verdienen und nicht auf regenfreies Wetter warten müssen... Also zückten wir unsere zweite Karte... morgen wäre die Vorstellung bei der Berryfarm in Masterton (45 Minuten von Martinborough)... wir könnten uns das ja auch noch angucken und am Ende dann immer noch entscheiden. Ohne also dem Vineyard abgesagt zu haben (sondern eben mit den Arbeitsverträgen im Gepäck) fuhren wir also in die nächstgrößere Stadt Masterton. In der Bibliothek ließ sich die verregnete Zeit am Besten ausnutzen. Grund für dieses Wetter samt Regen, Sturm und kühlen Temperaturen war das Tief Debbie, das gerade erst angefangen hatte, Neuseeland zu überrumpeln! Landesweit gab es Warnungen vor Überflutungen, Schulen waren für die nächsten Tage geschlossen und man sollte am Besten das Haus nicht verlassen. Mancherorts gab es sogar erste Evakuierungen! Wie blöd, dass der einzige freie Campingplatz hier in der Gegend direkt neben einem Fluss lag... wir hielten Rücksprache mit dem Council of Masterton und hatten schließlich die Erlaubnis auf diesem Zeltplatz „The Cliffs“ zu übernachten. Natürlich haben sie uns ebenfalls auf die Gefahr der Überflutung hingewiesen... aber rieten auch nicht dringlich davon ab. Es sollte ja nur für eine Nacht sein, bis wir wissen, ob wir hier bleiben oder doch zurück nach Martinborough gehen.

Ein Stein zur Markierung des Wasserstandes wird gesucht und gefunden
Ein Stein zur Markierung des Wasserstandes wird gesucht und gefunden

Am Fluss angekommen, erkannten wir das Ausmaß der letzten zwei Regentage. Der Fluss war reißend! Eindeutig befand er sich nicht mehr nur im eigentlichen Flussbett und vermutlich hatte er sonst auch eine andere Farbe, als dieses dreckige Braun! Mittels eines Steines hielten wir das Wasserlevel den Abend über im Blick... Sollte es steigen, müssten wir wohl doch weiterfahren. Ein zweiter Campervan stellte sich bald zu uns. Ebenfalls skeptisch beäugte das Pärchen den Fluss... wir zeigten ihnen unseren Stein und sagten ihnen, dass sich über die letzten 3 Stunden hier nichts verändert hatte. Dennoch ließen wir es uns nicht nehmen, auch nachts nochmal einen Abstecher an das Flussufer zu machen. Gegessen wurde aufgrund des Regens unter der Kofferraumklappe... Wir halten fest: Es gibt besseres als das Camperleben im Regen...


Es war wieder um 6 Uhr als unser Wecker klingelte... natürlich immer noch Regen... aber der Fluss war geblieben, wo er gestern war. Natürlich noch genauso reißend und aufgebracht... Diesmal aßen wir im Auto, bevor wir uns auf den Weg auf die Wee Red Barn Berryfarm machten. Als wir ankamen, bekamen wir gleich eine kleine Demonstration, wie hier mit den Farmarbeitern umgegangen wurde. Dot, eine untersetzte Frau mit bitterbösem Gesichtsausdruck, strähnigen dunklen Haaren und harschem Auftreten schimpfte gleich zu Beginn in die Runde der sehr jung aussehenden Backpacker, die auf ihrer Farm angestellt waren. „Was steht ihr hier noch rum?! Ich habe euch gestern bereits gesagt, was heute zu tun ist! Ihr verschwendet meine Zeit!“ Wir tauschten vielsagende Blicke... na herrlich, anscheinend waren die schlechten Kommentare über diesen Betrieb nicht grundlos! Mit scharfen Blicken beobachtete sie, wie die 3 Mädels und 3 Jungs eilig ihre kleinen Schubwagen nahmen, Kisten darauf luden und kleinere Schälchen zum Pflücken der Beeren bereitstellten. Bei einigen ging es ihr nicht schnell genug und sie meckerte sofort wieder. Vor allen bei den Männern sah sie ganz genau hin! Danach nahm sie uns mit in ihr „Büro“ (es sah da drin aus!!! Unordentlich ist gar kein Ausdruck!). Dort ging sie auch nochmal auf das Szenario ein, was wir eben mitbekommen hatten. Normalerweise sei sie ja nicht so derart „grumpy“... aber die Leute hätten einfach gestern genaue Anweisungen bekommen. Danach ging es eine ganze Weile monologartig über die anfallende Arbeit: „Wir sind eine Berryfarm, was heißt, dass 90 Prozent der Arbeit Beerenpflücken sein wird! Wir haben Erdbeeren und Himbeeren. Auch Paprika und Tomaten fallen manchmal an. Und ansonsten findet sich rund um die Farm immer was, was wir machen können. Zur Zeit bauen wir weitere Tunnel für die Früchte auf. Wie ihr seht: Unsere Beeren sind überdacht! Es gab schon Arbeiter, die dachten, das sei für sie... Ha! Nein, hab ich zu ihnen gesagt...

Ihr seid mir da herzlich egal! Es geht um die Beeren! Die sind unter den Tunneln besser vor den klimatischen Bedingungen geschützt.“ Na das ließ ja schon mal tief blicken... Da es eine Mindestlohnerhöhung seit Anfang April gegeben hatte, musste sie die Arbeitsverträge für uns neu ausdrucken... allerdings wollte der Drucker nicht so wie sie. Somit hatten wir noch etwas mehr Zeit in ihrem Büro und lernten auch ihren Mann Allan kennen. Er wirkte zu Beginn etwas sympathischer, hatte aber einen furchtbaren Akzent und später wurden wir auch eines Besseren belehrt... Sympathisch war anders. Aber zurück ins Büro. „Wenn ihr auf Toilette müsst, es gibt draußen ein Dixi-Klo! Es kann sein, dass es irgendwann mal voll ist...“ … ein merkwürdig prüfender Blick in unsere Richtung... „Ich gehe da nie drauf... ich merke es also nicht. Wenn der Tag kommen sollte, dann sagt mir Bescheid. Es ist Allans Aufgabe, es zu leeren!“ Gehässig, schadenfreudig und abschätzig sah sie zu ihrem Mann... Wir aber werteten das zu diesem Zeitpunkt noch als Necken und dachten uns nichts dabei. Mit einer scharfen Verwarnung in Kais Richtung wies sie darauf hin, dass sie es nicht dulden würde, sollte jemand sein Geschäft außerhalb des Dixi Klos verrichten. Wir waren so verdutzt, dass wir erst mal darüber lachen mussten. „Die Toilette im Haupthaus ist für Kunden bestimmt und für

euch Tabu! Weiterhin gibt es keine kleinen unbezahlten Pausen! Die sind eh nur dafür da, dass man auf Toilette geht... und das könnt ihr jederzeit.“ Erneut runzelten wir die Stirn... diese kleinen Pausen waren in der Farmarbeit eigentlich gesetzlich vorgeschrieben. Wir mussten uns den Vertrag also ganz genau durchlesen und gut abwägen.

Mit prüfendem Blick kam sie schließlich (der Drucker wollte immer noch nicht) auf uns zu sprechen... Sie schien erleichtert, als sie hörte, dass wir schon etwas älter waren und es gab fast etwas wie Respekt, als sie hörte, dass wir in Deutschland feste Berufe gehabt hatten. Es kam sogar so weit, dass wir am Ende sogar ein wenig mit ihr scherzen konnten. Definitiv hatte sie sich uns gegenüber bisher nicht herzlich, aber auch nicht inkorrekt verhalten. Wer weiß schon, an welche Leute sie während ihrer Farmzeit schon geraten war. Wir wollten dem Ganzen einen Versuch geben. Sie sagte uns, dass es heute allerdings zu stark regnete und wir morgen dann erst anfangen sollten. Die Anderen würden auch nur einen halben Tag heute arbeiten. Sie empfahl uns noch einen Zeltplatz in Masterton und wir verließen schließlich ihr Büro (mit den alten Verträgen, als Mustervertrag, da der Drucker seine Meinung natürlich nicht geändert hatte und heute wohl anscheinend keine Lust auf Arbeit hatte).

 

Nagut... Donnerstag und Freitag hatten wir ja noch vor uns, diese merkwürdige Berryfarm auszuprobieren, bevor wir uns endgültig entscheiden mussten, welchen Job wir jetzt für längerfristig annehmen würden.

 Gegen späten Nachmittag (Regenwetter = Bibliothekswetter) checkten wir auf dem empfohlenen Campingplatz ein. Wir wurden super lieb von den Besitzern Jelena und Rodney empfangen! Jelena plauderte mit uns über Europa, sie war ganz neugierig... und erzählte uns, dass es einen Rabatt gab für Backpacker, die in Masterton arbeiteten. Wir berichteten, dass wir morgen unseren ersten Arbeitstag hätten, aber noch nicht sicher wären, ob wir auch wirklich bleiben und daher erstmal nur eine Nacht zahlen wollen. Für sie war das alles überhaupt kein Problem: Wir zahlen heute den Vollpreis und sollten wir hierbleiben wollen, würden wir das morgen einfach mit verrechnen! Alles klar und vielen Dank! Mit einem breiten Lächeln hieß sie uns nochmal willkommen und wir merkten, dass es der erste wirklich herzliche Empfang war, seitdem wir auf der Nordinsel gelandet waren! 

In der Küche erkannten wir abends die Arbeiter der Berryfarm wieder. So richtig offen wirkte keiner von ihnen... auch nicht interessiert. Sie sahen eher müde und ko aus und waren in ihrer kleinen Gruppe mehr als reserviert. Wir beobachteten sie etwas... wollten aber unbedingt auch an Informationen aus erster Hand herankommen und setzten uns schließlich zum Rest von ihnen, als ein Teil gerade weg war. Zusammenfassend ist zu sagen: Größtenteils bestätigten sie die schlechten Bewertungen... Dot würde fast ausnahmslos im Befehlston sprechen, wenn sie nicht gerade schrie! Time is Money... Sie hasst Männer und sie hasst es ihre Zeit mit Erklärungen zu verschwenden! Pünktliche Einhaltung der Mittagspause ist enorm wichtig. Genauso wie, dass man gefälligst sich beeilt! Es gibt eine Erwartung, wie viele Beeren gepflückt werden müssen... Passt ihr irgendwas nicht, feuert sie wahllos die Leute. Es ging sogar so weit, dass wir feststellen mussten, dass das „freie zur Toilettegehen“ in keinster Weise den Tatsachen entsprach. Im Gegenteil, die Anderen hatten regelrecht Angst vor Dot und waren zu ängstlich auf Toilette zu gehen! „Das eine Mal musste ich so nötig... normalerweise bin ich sonst in den Tunneln zur Toilette gegangen... Da sieht sie uns ja nicht und da sind auch keine Kameras... aber diesmal waren die Tunnel zu... ich bin um mein Leben gerannt!!! Ich hatte so Angst, dass sie um die Ecke kommen und mich sehen könnte!“ Ich konnte es kaum glauben, als ich diese Geschichte hörte.

 

Am Ende des Abends stand fest: Wir würden das Ganze morgen ausprobieren... aber wir würden uns nicht wegducken oder uns beschimpfen lassen. So nötig hatten wir es dann doch nicht und noch hatten wir die vorteilhafte Situation, dass wir eine andere Jobzusage hatten... Wir sind gespannt, was der nächste Tag so bringt!

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