Wir haben in den letzten drei Tagen so viele Nachfragen bekommen, wie es uns wohl geht, dass dieser Artikel wohl fast etwas überfällig war. Das Wichtigste zu erst: Wir sind alle wohlauf. Auch wenn die Neuseeländer nach eigenen Angaben kleinere Erdbeben gewöhnt sind, hat das Beben in der Nacht vom 13.11. auf den 14.11. hier ganz schön für Trubel gesorgt! Dass es bei uns beiden, die wir noch nie eines mitmachen mussten für pure Aufregung gesorgt hat, ist ja wohl klar. Aber 7,8 auf der Skala ist dann auch für Neuseeländer keine Alltäglichkeit mehr und hat die Leute hier sehr beschäftigt!
Die Nacht begann ganz normal: Wir saßen mit Rose zu fünft gemütlich vorm Kamin... Karten spielend, Fern sehend, Buch lesend... eben ein ganz normaler, gemütlicher Sonntagabend, bevor gegen 22:15 die Lichter ausgingen.
Eine Stunde und 45 Minuten später wurden Kai und ich wach... irgendetwas war seltsam: Das Bett wackelte, ohne dass sich jemand von uns bewegte... erst leichte Vibrationen, dann immer deutlicher. Wie das so ist, wenn man aus dem Schlaf geweckt wird, lagen wir wohl beide erst ein paar Sekunden da... In meinen Kopf schoss das Wort "Erdbeben"... sollte das wirklich...? Während ich noch schlaftrunken versuchte meine Gedanken zu ordnen, sprach Kai es aus und war schon halb aufgestanden. Ich schnappte mir noch meine Hose, während Kai schon an der Tür stand. Jay und Kate, die das Schlafzimmer uns direkt gegenüber haben, standen auf der anderen Seite des Flurs. "Kommt unter den Türrahmen!" Plötzlich waren wir hellwach! Der Boden zitterte, das Dach ächzte, die Schranktüren begannen zu klappern, aus der Küche hörte man das Geschirr in den Schränken klirren und Uhr, sowie Lampen schaukelten an der Decke hin und her... Geschlagene 2 Minuten dauerte dieser Spuk! Ich war sehr froh, in diesem Moment Jay und Kate gegenüber zu haben, die wussten was zu tun war. Allerdings sahen sie auch etwas besorgt aus: "Das ist das erste Beben in Mot... und es ist außergewöhnlich lang!" Von Rose war weder was zu sehen, noch zu hören... Jay tastete sich zum nächsten Türrahmen: "Mum? Mum? Are you ok? Come here!" Rose kam zu uns und kurze Zeit später, beruhigte sich die Lage...
Ans weiter Schlafen dachte vorerst keiner: Laptop an, Lichter an, kurzer Hauscheck (zum Glück aus Holz und mitarbeitend...) und schon gab es die ersten Infos... Infos die sicherlich jeder mitbekommen hat: die Stärke des Bebens, die Tiefe, das Epizentrum: Wieder Südinsel, Kaikoura... . Kate telefonierte sofort (vermutlich mit ihrem Vater und erkundigte sich, ob alles gut war).
Gegen 0:45 gingen wir wieder ins Bett, die ganzen Auswirkungen würde man sowieso erst morgen mitbekommen. Was wir dabei völlig verpasst haben, waren die folgenden Tsunami-Warnungen für die gesamte Ostküste bis hoch zu uns. Vielleicht war das auch besser. Wir wunderten uns nur, warum die heute frisch angekommenen Gäste (ein Pärchen aus München) das Gästehaus gegen 01:15 verließen und mit ihrem Auto wegfuhren. Am nächsten Morgen dann die Antwort: Sie hatten im Gegensatz zu uns von den Tsunamis gelesen und hatten ihr Auto auf die Straße gestellt, für den Fall dass wir evakuiert werden mussten... die beiden hatten laut Jay die Nacht über kein Auge mehr zugemacht... Kate hatte die Gäste bei der ganzen Aufregung völlig vergessen... Noch in der Nacht beim Versuch wieder einzuschlafen, spürten wir noch mehrere Male das Zittern der Erde... Nachbeben. Wir schliefen sehr unruhig bis 06:20 Uhr der Wecker klingelte.
Die ganze Familie saß gleich bei den ersten News vorm Fernseher... Noch musste alles sortiert werden... wir erfuhren von den angekommen Tsunamis... Wellen in Höhe von 3-5 Metern und den Warnungen... Keine Strände aufsuchen, am Besten in höher gelegenes Land fahren und noch viele andere Sicherheitshinweise wurden über Radio und Fernseher an die Bevölkerung rausgegeben. Es gab den ganzen Tag kein anderes Thema: Wir sahen zum ersten Mal die zerstörte Küstenstraße oberhalb von Kaikoura, die wir vor einigen Wochen noch entlang gefahren waren, um hierher zu kommen.
Auf Arbeit wurden wir von unserem Supervisor mit folgenden Worten empfangen: "Willkommen in NZL, hier gewesen zu sein, ohne ein Erdbeben erlebt zu haben, wäre wie in Australien keine Schlange gesehen zu haben!" Trotz des coolen Spruches war die Verunsicherung zu spüren: die Schulen hatten geschlossen, die Warnungen zur Tsunami- und Nachbebengefahr war allgegenwärtig... und tatsächlich bebte die Erde noch dutzende Male an diesem Tag und fand keine Ruhe! Da half nur abwarten, nachdem wir wegen erneutem Regen von der Arbeit nach Hause kamen. Perfekt um etwas Schlaf nachzuholen, sofern die Erde mal Ruhe gab. Erst am dritten Tag gab es keine Nachbeben mehr und die Tsunamiwarnungen wurden aufgehoben. Es war also vorerst überstanden! Kates Mama, die für zwei Tage in Mot feststeckte, aufgrund der Gefahr und mehrerer Straßensperrungen konnte gestern erst nach Hause aufbrechen und erreichte Christchurch sicher. Ihr Haus hatte bereits das Beben 2011 gut überstanden. Dennoch war es sicher für Kate ein beruhigendes Gefühl, sie zur Zeit des Bebens hier zu wissen.
Wir und die Farmarbeiter sind uns einig: Das ist ein sehr ungewöhnlicher Frühling, den wir hier erleben... Hagelsturm, tagelanger Regen, superheiße Tage, Erdbeben und Tsunamis... absolut nicht normal!
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Steve Richter (Montag, 21 November 2016 19:12)
Na Gott sei Dank. Wohlauf ihr Beiden. Nicht mehr lange Kai, dann sehen wir uns am anderen Ende der Welt...